Freitag, 20. Dezember 2024

How to

 

Wie, so fragt sich mancher schon bang,

kriegen wir heuer das Fest wohl hin?

Sorg dich, mein Lieber, einfach nicht lang,

weil ich in der Hinsicht beschlagen bin.

 

Erstens bevorrate reichlich Getränke.

Zweitens plane was Großes zu kochen.

Drittens habe schon die Geschenke.

Dann ist der Grinchbann schon halb gebrochen.

 

Wenn es nun Zeit ist, den Abend zu starten,

also meist gegen Mittag, denn die Gans dauert länger.

Dann begib dich hinaus in den Garten

Mit einem Sekt und – zum Beispiel – Hirschfänger.

 

Ein Säbel tuts auch oder sogar ein Schi.

Jetzt weg mit der Kapsel, mon cher ami!

Dann entspannt angesetzt und beherzt durchgezogen

Schon erfreut euch der Sprudel in schäumendem Bogen.

 

Den Rest gießt ihr euch peu-a-peu hinter die Binde.

Ist die Buddel mal leer, ist es Zeit für die nächste.

Dann klappt’s garantiert mit dir und dem Christkinde.

Ach ja: Bescherung so zirka um sechse!

Freitag, 13. Dezember 2024

Angebissen


 

Einst, o erinnerungsstarke Lesehäschen, verhieß uns Apple allseitige Erneuerung und – in dem legendären Werbespot dazu – einen buchstäblichen Befreiungsschlag: Weg mit den Fesseln, freie Datenbahn für freie Bürger mit freien Gedanken! 40 Jahre ist das jetzt her. Wer wissen will, wie es aktuell um die Company steht, der setze sich zu mir ans Kaminfeuer.

Also: Wie verknüpft man ein AirTag (das ist so ein Findemichknopf) mit seinem Applekonto? Man hält ihn ans iPhone. Und zwar nur an dieses (oder an ein iPad). Wer ein MacBook hat und ein AirTag nutzen will, kauft sich zuvor ein iPhone. Warum das so sein muss, obgleich das AirTag per Bluetooth funktioniert, weiß man bei Apple, aber sie verraten es nicht. Das ist der erste Freiheitsgrad.

Hat man das geschafft, dann will man auf genanntem MacBook schauen, wo das Ding denn nun sei, und loggt sich behufs dessen in sein Applekonto ein. Die Logindaten für das Applekonto stellen eine sensible persönliche Information dar, daher sendet Apple einen sechsstelligen Code an die anderen Applegeräte des Anmeldeversuchers, den man zuerst dort ablesen und dann am MacBook eingeben muss.

Allerdings ist auch das MacBook selbst ein „anderes Applegerät“ und erhält daher den Code. Es poppt also direkt vor der Loginseite, die durch den zweiten Faktor (also den Code) gesichert wird, ein Fenster mit dem Code auf, den man dann auf der Loginseite eintippselt.

Außerdem gibt es ein Kästchen, das man abhaken kann, um sich das Theater in Zukunft in „diesem Browser“ zu ersparen. Ich sag’s gleich: Das Kästchen bewirkt lediglich, dass es bei allen weiteren Versuchen bereits abgehakt ist. Das ist Zweifaktorauthentifizierung bei Apple, auch bekannt als zweiter Freiheitsgrad.

Nun ist man endlich drin und stellt enttäuscht fest: Das AirTag ist nirgends. Im selben Applekonto auf dem iPhone ist es da, auf dem MacBook nicht. Das ist der dritte Freiheitsgrad, an dem auch weitere fünf Versuche nichts ändern.

Schließlich kann man das AirTag auch mit anderen teilen, damit diese ebenfalls nachschauen können, wo das Ding ist.

Allerdings nur, wenn Apple das gut findet. Andernfalls kommt die Meldung, dass der Betreffende „möglicherweise ’Wo ist?‘ nicht verwendet“. Diese Meldung erscheint durchaus auch, wenn der Betreffende „Wo ist?“ sehr wohl verwendet. Aber sicherheitshalber darf man das Tag dann nicht teilen, weil der Betreffende vielleicht nichts davon hätte. Das ist der vierte Freiheitsgrad. Ein engstirniger Android- oder Windowsprogrammierer käme vielleicht auf die Idee, das Teilen zu gestatten und es dann dem User zu überlassen, ob er das Ding mit seinem Gerät orten kann. Aber in der schönen freien Welt von Apple wäre das gemein. So, meine Lieben, sieht es in dem aus, was vor ein paar Jahren wenigstens noch ein goldener Käfig war. Schönes Wochenende!

Freitag, 6. Dezember 2024

Newsflash


Dass wir immer mehr von allem brauchen, o konsumbewusste Lesehäschen, ist ja kein Geheimnis. Mehr Wohnraum, mehr Fleisch, mehr Airbags und mehr Verständnis von unserer Umgebung dafür, dass wir all dessen bedürfen.

Wovon wir aber ganz besonders viel verschleißen, ist Vergangenheit. Euer ergebener Graukopf weigert sich zu glauben, es sei nur seinem Alter geschuldet, dass er es kurios findet, wenn Dinge nach zehn Jahren schon zum ersten Revival anstehen. Früher war nicht alles besser, aber die Reifezeit bis zur Nostalgie war länger. Ein Hauch der eigenen Verwesung weht einen an, wenn man feststellen muss, dass ein Trend wieder da ist, während dessen erster Inkarnation man schon Vater war.

Journalistische Bequemlichkeit verstärkt diesen Effekt noch. Denn wenn man früher nicht wusste, was schreiben, dann verbreitete man sich über die interessanten Interessen der „jungen Leute“ oder suchte etwas länger nicht Benutztes aus der Lade mit den Fotos von Nessie.

Heute schaut man sich stattdessen ein paar Folgen einer Serie von vor zehn, fünfzehn Jahren an und erklärt dann dem interessierten Publikum, dass die „echt schlecht gealtert“ sei. Das liegt dem Journalisten zufolge niemals daran, dass das Erzähltempo quälend zäh ist oder dass die Tricks lächerlich sind, sondern immer daran, dass die Serie nicht die heutigen Standards von politischer Korrektheit erfüllt, die der Journalist für angemessen hält.

Deshalb an dieser Stelle ein Geständnis und eine Erklärung: Euer Ergebener erzählt manchmal im vertrauten Kreis Witze, die er in größerer Runde nicht zum Besten geben würde. Weil er unter bestimmten Umständen sicher sein kann, dass die Zuhörer ihn gut genug kennen, um zwischen einer Unkorrektheit des Witzes und der prinzipiellen Korrektheit des Erzählers zu unterscheiden. Denn der Zweckdichter traut seinen Freunden diese Klugheit der Trennschärfe zu. Wer sich hingegen beschwert, dass „How I Met Your Mother“ nicht so geschrieben ist, wie ein zur Selbstzensur neigender Autor heute eine Comedyserie schreiben würde, kann sich auch darüber aufregen, dass Clawdia Chauchat im Zauberberg eine doch sehr passive Rolle im Vergleich zu den herummännernden Philosophen kriegt oder dass Penelope nur daheim an ihrem Teppich frickelt, während Odysseus all die coolen Abenteuer erlebt. Denn, liebe Glossanten: Heute ist nicht gestern. Gestern war manches anders. Wissen wir, sind keine News. Schönes Wochenende!

 

 

Freitag, 29. November 2024

Saugen

 

Manchmal, o reinliche Lesehäschen, gewöhnt man sich Dinge nur schwer ab, und nicht nur das Rauchen. Einst hatten viele von uns einen Nachzieh-Staubsauger. Wenn man beim Saugen auf etwas für das Gerät Unverdauliches oder zu Kostbares stieß (etwas größere Kartonfutzeln, Legosteine etc.), hob man sie während des Saugens auf und hatte nach einer Weile bisweilen eine schon recht volle Hand, je nachdem, was vor dem Aufräumen so alles stattgefunden hatte. Was man definitiv nicht tat, war: den Staubsauger abzuschalten. Man hätte ihn ja extra mit dem Saugschlauchlasso herbeiziehen und dann erst mit einem atomkraftwerkstauglichen Schalter außer Betrieb setzen müssen.

Euer Ergebener muss feststellen, dass er dies heute noch genauso macht, obgleich er mittlerweile einen akkubetriebenen Hightechsauger nutzt, zu dessen Abschaltung man nur den Finger vom Abzug nehmen müsste, weil Saugen hier quasi als Dauerfeuer funktioniert. Nimm das, Staubkorn! Brrrrtttt!

Damit sind wir bei der Verkehrsberuhigung, und damit, o urbane Lesehäschen, ist es so eine Sache. Nämlich so eine Sache, wie wenn du eine Schutzfolie aufs Handy klebst. Natürlich gelingt es dir fast, bis auf die eine kleine Luftblase. Und natürlich kannst du die Luftblase wegdrücken. Aber nicht so wie einen Anruf, sondern nur ein bisschen weiter. Mit Autos ist es anscheinend leider auch so. Wer sich das live anschauen will, macht einen Abstecher in den vierten Bezirk, holt sich vielleicht einen höchst empfehlenswerten Pistazienkrapfen von den 15 süßen Minuten, der mit der lästigen Dubaischokolade übrigens nichts zu tun hat, und vertieft sich in die Situation. Nämlich musste man bis vor Kurzem, wenn man von der Favoritenstraße zur Prinz-Eugen-Straße fahren wollte, den einen oder anderen Haken schlagen, weil alle Querstraßen irgendwo eine Einbahnstrecke in die Gegenrichtung aufwiesen. Viele dieser Haken endeten in der Belvederegasse, wo man immerhin sicher sein konnte, irgendwann in die Prinz-Eugen-Straße einbiegen zu können, weil sich dort eine Lichtzeichenanlage aka Ampel befindet.

Inzwischen wurde die Argentinierstraße aufwendig zu einer Fahrradstraße ausgebaut (wobei die Bepflanzung einen deutlich weniger spektakulären Eindruck vermittelt als in der einst dargebotenen Visualisierung), weshalb diverse Einbahnregelungen geändert wurden. Nunmehro können Autofahrer schnurgerade durch die Theresianumgasse zischen, allerdings nur bis zum bösen Erwachen, weil es am Ende nämlich keine Ampel gibt und die Prinz-Eugen-Straße je nach Tageszeit ein langer, ruhiger Fluss ist. Der Rückstau ist zeitweise beachtlich, man kann also von einem durchschlagenden Erfolg dieser Verkehrsbelebungsmaßnahme sprechen.

Offen bleibt aber die Frage, wo die zuständigen Planer ihren Finger hatten, als ihnen das geglückt ist. Wahrscheinlich am Staubsauger.

Schönes Wochenende!

Freitag, 22. November 2024

Trinkfest

 

Kürzlich, o gesellschaftlich gewandte Lesehäschen, kam die Frage auf, mit wem man eventuell zumindest ein Bier aushalten könnte. Als Testfälle wurden Herbert Kickl genannt – definitiv nein – sowie Hazeh Strache. Bei dem könnte sich ein Bier ausgehen, wenn auch eine Bahnfahrt von Wien nach Salzburg in einem jener ÖBB-Abteilwagen, deren Polster den kalten Rauch der 1990er bis zur Verschrottung nicht mehr loswerden, dann doch zu lang wäre.

Dabei wurde zunächst nicht festgehalten, welche Gebindegröße gegebenenfalls anzupeilen wäre. Im konkreten Vergleichsfall ist das eh wurscht, weil Strache sicherlich krügltauglich ist, während mit Kickl ein Pfiff schon zu viel wäre.  

Da politisch ja eh schon alles zu spät ist (zumindest bis Ende der Legislaturperiode), ist es sicher kein Fehler, sich vorher zu überlegen, wer zechtechnisch satisfaktionsfähig ist und wer nicht. Man weiß ja nie. Weil wir gerade dabei sind: Fällt nur eurem Ergebenen auf, dass das blutrünstige Wort „satisfaktionsfähig“ allmählich lit zu werden scheint, zumindest im deutschen Großfeuilleton? Es weht einen sonderbar an, wenn ausgewiesene Intellektuelle einen Begriff verwenden, der einst jemanden bezeichnete, mit dem dich zu duellieren nicht unter deiner Würde gewesen wäre, um Mitintellektuelle zu etikettieren, mit denen sich eine Diskussion auszahlte.

Hier nun erste und keinesfalls vollständige Überlegungen zum Thema, mangels persönlicher Bekanntschaft hochspekulativ, aber besser als nix.

Karl Nehammer: ein Seidl vielleicht

Katharina Nehammer: was da ist, da nehmen wir uns an der Cobra ein Beispiel.

Andreas Babler: nur gemeinsam mit Hans Peter Doskozil.

Werner Kogler: ähem.

Alexander van der Bellen: eher ein Achtel oder zwei, dazwischen geht man gemeinsam vor die Tür und schnorrt einen Tschick von ihm.

Wolfgang Sobotka: Charakterlich Gefestigte gehen ihm aus dem Weg, Impulsivere setzen sich mit ihm an einem Tisch. Sobald die Getränke serviert werden, gießen sie ihm  das eine über den Kopf, das andere in den Schritt.

Matthias Strolz: Lieber nicht.

Beate Meinl-Reisinger: ein Spritzer, wenn sie Zeit hat.

Olaf Scholz: zwei Red Bull und bisschen MDMA.

Donald Trump: um Himmels willen.

Prost und schönes Wochenende!

Freitag, 15. November 2024

Sesselpicker

 

Manchmal, o leistungsbereite Lesehäschen, fragt man sich ja schon, wo man die falsche Abzweigung genommen hat. Dies zum Beispiel, wenn man sich den anscheinend unaufhaltsamen Aufstieg des Georg Dornauer anschaut. Da haben wir noch gar nicht davon geredet, dass er offenbar nichts dabei findet, sich als gestandener Sozialdemokrat mit einer ebenso gestandenen Postfaschistin fotografieren zu lassen, die in einem ausschließlich Pin-up-tauglichen Badeanzug ihre Brüste herzeigt. Um etwaigen Sexismusvorwürfen zu begegnen: Es ist für einen SPÖler gleich unangebracht, sich mit einem Mussoliniverehrer wie mit einer Mussoliniverehrin im Beachoutfit ablichten zu lassen. Nicht die Brüste lassen den Sozialismus unglaubwürdig wirken, sondern das pseudoglamouröse Umfeld des perfekten Strandurlaubs. Dass das einen Dornauer nicht kümmert, war aber schon klar, als er sich ein Waffenverbot abholte, indem er seine Flinte nicht etwa in einem geleasten Skoda oder meinetwegen Audi, sondern in einem Porsche liegen ließ.

Für alle, denen so etwas passieren könnte, hier eine zweifellos unvollständige Liste möglicher Fehler für aufstrebende Sozis und wie man sie vermeidet.

Erstens geht man nicht mit einem Immobilienhallodri jagen, der die größte Pleite der zweiten Republik auf dem Gewissen hat und es sich aber immer noch gutgehen lässt, weil er seine Schäfchen rechtzeitig ins Trockene gebracht hat. Dies gilt generell, aber ganz besonders, wenn gegen einen ein Waffenverbot besteht.

Wenn man zweitens doch mit besagtem Hallodri auf die Jagd geht, lässt man sich dabei nicht fotografieren.

Wenn man sich drittens doch fotografieren lässt, dann nicht mit dem toten Hirschen und am Hut dem Beutebruch, den jenes Mitglied einer Jagdgesellschaft sich ansteckt, der das Wild erlegt hat. Denn – Spoiler! – das könnte den Verdacht wecken, dass man eventuell doch trotz bestehenden Verbots eine Waffe ergriffen hat.

Wenn man viertens bescheuert genug war, um gegen die ersten drei Punkte zu verstoßen, hat man immer noch die Chance, nicht die dümmste Verteidigung aller Zeiten zu bringen, nämlich: „Das war nicht mein Hut.“ Türstehern ist diese faule Ausrede für eine Ausrede von Drogenbesitzern bekannt, in der Version „das ist nicht meine Hose“.

Wenn man aber entweder ein derart hoffnungsloser Volltrottel oder ein derart ausgeschämter Beutegreifer ist, dass man das alles trotzdem tut, dann bleibt dir nur noch eines: Du machst mit eingezogenem Schwanz den Abgang ins Privatleben – na Schmäh. Natürlich nicht ins Privatleben, sondern in den Tiroler Landtag, der genauso unnedig ist wie alle Landtage und wo man als Abgeordneter genau wie in den anderen Landtagen 7.500 Euro im Monat bezieht.

Für die Zukunft lässt das Schlimmes ahnen. Denn solange wir es uns leisten können, einen derartigen – wie meine Großmutter gesagt hätte – Rotzlöffel nicht etwa durchzufüttern, sondern in die obersten eineinhalb Einkommensprozent zu katapultieren, geht es uns offenbar bei Weitem noch nicht schlecht genug.

Schönes Wochenende!

Freitag, 8. November 2024

Macksen

 

Nun ist es also raus, o enttäuschte, wenn auch nicht überraschte Lesehäschen. Das Trumpeltier ist wieder da. Vergleiche mit Diktatoren der Vergangenheit sind überzogen. Zwar hatte auch Hitler mit Alkohol nix am Hut (stattdessen pfiff er sich reichlich Meth rein). Aber soweit bekannt, hat Trump, anders als Hitler, noch beide Hoden. Zum Thema Alkohol ist festzuhalten: Altbürgermeister Häupl zählte es bekanntlich zu seinen beruflichen Aufgaben, nie ohne Spritzerglas gesichtet zu werden. Trump seinerseits soll dem kolumbianischen Nasenleckerli nicht abgeneigt sein. Wer sich erinnert, wie angenehm es war, von einem Freund des Sprühweins regiert zu werden, kann von einer Koksokratie nichts Gutes hoffen. Dass den USA eine solche bevorsteht, ergibt sich zumindest aus der Expertise der seligen Carrie Fisher. Diese twitterte einst nach einer TV-Debatte, während welcher Trump ständig die Nase hochzog, auf die Frage, ob das vielleicht vom Koksen komme: „I’m an expert & ABSOLUTELY.“

Wer jemals Wall Street gesehen hat, den wird es kaum überraschen, dass der Donald, sehr im Unterschied zu seinem Entenhausener Namensvetter, dieser Macherdroge etwas abgewinnen könnte. Dass es sich um eine solche handelt, bezeugt auch die Sprache: „Koksen“ ist, soweit euer Ergebener das ausmachen kann, das einzige Verb, das die Konsumation einer Substanz bedeutet und unmittelbar vom entsprechenden Substantiv abgeleitet ist. Man schnitzelt nicht, man biert nicht, man tabakt nicht, man heroint nicht.

Aber koksen, das kann man.

Man kann zwar weinen, schnapsen oder reisen, aber mit solchen Flachheiten brauchen wir uns nicht aufzuhalten. Auch suppen tun nur schlecht verheilende Wunden. Früher konnte man – einzige Ausnahme – auch „haschen“, und zwar nicht, wenn die Kinder einander nachliefen, sondern wenn man einen Ofen anheizte, einen Joint rauchte, kiffte oder sonstwas. Doch hat „haschen“ erhellenderweise den Sprachgebrauch verlassen, als in der öffentlichen Wahrnehmung die Trennschärfe zwischen unterschiedlichen Drogen hinreichend gestiegen war. Wer also kokst, der ist schon mittendrin im Tun. Gleich danach ist man wahrscheinlich bereit, Deals auszuhandeln, einen Handelskrieg vom Zaun zu brechen und Klimaschutzmaßnahmen rückgängig zu machen. Aus dieser Perspektive leuchtet es auch ein, dass viele Küstenstaaten sich für die Demokraten entschieden haben: Wenn das Meer vor der Haustür ist, überlegt man es sich vielleicht zweimal, ob das Wahlversprechen „let’s fuck the planet and see if it fucks back“ wirklich verlockend klingt. In Louisiana, Florida oder den Carolinas bleibt der Mut zum Risiko hingegen ungebrochen.

Schönes Wochenende!


Freitag, 25. Oktober 2024

Versorgt

 

Morgen, o Lesehäschen, beseelt von Patriotismus mit Augenmaß, ist Nationalfeiertag, was immer das heißen mag. Wenn man seinen Augen trauen darf, feiern wir hier weltmeisterliches Betonieren, kurzsichtige Fremdenfeindlichkeit und die Sorte Neutralität, die sich darauf verlässt, dass sich schon jemand anderer darum kümmern werde. Also alles wie immer, nur mit Kickl. Hier stellt sich vor allem die Frage, was die bessere Verballhornung für den Namen des Vielleicht-doch-nicht-gleich-Volkskanzlers sei: Neigt ihr zum Kicklchen, das zwar interessant kontrastreiche Assoziationen zum Meerschwein- und Eichhörnchen (besonders letzterem!) weckt, uns aber im Schriftbild eine geradezu bäurisch unelegante Aneinanderreihung von fünf Konsonanten aufs Auge drückt?

Oder greifen wir doch lieber zum Kickerl, das österreichische Herablassung ohne unerwünschte Niedlichkeit bietet, allerdings die Vorarlberger außen vor lässt und irgendwie nach freundschaftlicher Fußballpartie klingt?

Ich bin sicher, die Zeit wird es weisen.

Apropos „Zeit“ und „bäurisch“: Die ZEIT hat einen norddeutschen Bauern ein Jahr lang begleitet, um die Sorgen und Nöte des vielgeplagten Standes aus erster Hand zu erfahren. Dazu zählt zum Beispiel der drohende Verlust des Dieselsteuervorteils, der den Armen im Jahr um die 20.000 Euro kosten würde. Da empfindet man gleich festes Mitleid. Allerdings nur, bis man gelesen hat, dass der gute Mann allein mit seinem Hofladen 400.000 Euro Umsatz macht. Ein österreichischer ADEG-Kaufmann hat gut dreimal soviel, muss aber vom Ertrag leben, bewirtschaftet nicht außerdem 150 Hektar Land und bekommt keine 160.000 Euro EU-Förderung.

Dann liest man weiter, dass unser Bauer natürlich auch in Berlin war, um an den dortigen Protesten teilzunehmen. Und bald bekommt die Tatsache, dass Landwirte gerade noch 1 % der deutschen Bevölkerung ausmachen, einen ganz neuen Beigeschmack. Man muss sich schließlich wehren, wenn es dem kleinen, aber fleißigen Landmann politisch an den Kragen zu gehen droht. Denkt man, liest aber in einem Nebensatz, dass der kleine Landmann „mit einem Kumpel“ nicht etwa bei seiner Tante auf dem Sofa genächtigt hat und auch nicht in einem AirBnB im Wedding. Wer auf das Mercure oder so tippt, liegt auch daneben. Nein: Man kommt nicht alle Tage nach Berlin und gönnt sich auch sonst nix. Da darf es schon das Adlon sein.

Mein lieber Scholli, wie man zumindest früher in Deutschland gesagt hat, zu den Zeiten, als man auch gern Witzchen über „Kreditkartenpunks“ riss, d.h. Leute, die gern mit aufgestelltem Bunthaar auf der Straße abhingen, aber doch das Sicherheitsnetz eines international willkommenen Zahlungsmittels nicht missen wollten. Doch während man dem Kreditkartenpunk jugendliche Unbedachtheit zugute halten konnte, ist der Adlonwutbauer eine unerfreuliche Mischung aus der Gewissheit, dass einem das alles eh zusteht und der mitleidigen Herablassung, dass man jetzt doch nicht einfach von heute auf morgen alles ändern kann, wie soll denn das gehen?

Tja, und so wurschteln wir weiter, im 67. Jahr der Gemeinsamen Agrarpolitik. Schönes Wochenende!

Freitag, 18. Oktober 2024

Es liegt was in der Luft

 

Gewählt hätten wir ja nun, o möglicherweise enttäuschte Lesehäschen. Nunmehro wird darüber geschrieben, ob die FPÖ hauptsächlich aus Protest gewählt wurde oder ob wir, van der Bellen zum Trotz, doch eben so sind.

Ich glaube, es liegt am Geruch. Falls ihr es nämlich nicht bemerkt habt: Wir werden seit Jahren schleichend, aber flächendeckend olfaktorisch zugemüllt. Einst gab es an vorsätzlicher Beduftung das Damenparfum (eventuell zuviel davon, sonst okay), das Rasierwasser (eh bald verflogen) und den Wunderbaum (lasset uns schweigen).

Inzwischen gibt es außerdem das Fahrzeugparfum (in teuren Autos: die Beduftungsautomatik), den Raumduft, das Hundeparfum, den Wäscheduft für jene Schleimhautverätzten, denen das normale Waschmittel noch nicht genug stinkt, und weißdergeierwasnochalles.

Bis eben noch konnte man sich von dieser nasalen Übermächtigung eine Auszeit nehmen, indem man sich schneuzte. Doch diese Zeiten gehen zu Ende. Auf dem Enthaarungssektor hat man für ein ähnlich gelagertes Problem noch Optionen: Wenn das Zweckdichterbalg „Bic-Rasierer ohne Schleim“ auf den Einkaufszettel schreibt, dann kann man tatsächlich Einwegrasierer ohne diesen komischen Gleitstreifen kaufen. Was man nicht mehr bekommt, und zwar weder bei Billa noch bei Bipa, sind No-name-Papiertaschentücher ohne Duft. Dort hat man nur noch die Wahl zwischen den überteuerten Softi-/Tempo-/Feh-Rotzfetzen und der Diskontschiene, die einem die Rezeptoren mit Aloe, Blutorange oder sonstwas „Wohltuendem“ verpickt. So wird man dem Spar in die Arme getrieben, der noch „Lovely“ im Regal hat.

Klar, dass unsere Wahrnehmung dadurch verzerrt wird. Wenn man immer eine pinke Brille trägt, schaut das Gras anders aus. Und wenn man sich ständig Mentholduft reinpfeift, glaubt man auch irgendwann, das gehöre so. Was auch nichts Neues ist: Düfte treffen uns direkt ins Gemüt, weil die Nasenschleimhaut ja praktisch eine Erweiterung des Gehirns ist, oder so ähnlich, bitte fragen Sie Ihren Arzt (wird dieser Hinweis eigentlich inzwischen gegendert?).

Es liegt also auf der Hand, dass wir (also nicht ich, aber irgendjemand war es offensichtlich) die FPÖ gewählt haben, weil uns etwas ins Hirn gefahren ist, weil wir wiederum bei Rewe eingekauft haben.

Nun gilt es das Riechorgan einmal kräftig durchzuputzen, wofür sich ein wenigstens vorübergehender Nebenjob als Furzwegschnüffler empfiehlt. Ich kann mir vorstellen, dass sich gerade bei der FPÖ da Möglichkeiten auftun.

Schönes Wochenende!


Freitag, 11. Oktober 2024

Lebensräume

 

Willkommen zurück, o treue Lesehäschen! Die Pause war lang und reich an Erfahrungen. Zum Beispiel an jener Erfahrung, dass es in Los Angeles (und nur dort) die Supermarktkette Erewhon gibt, die erstens schweineteuer ist und dir zweitens keineswegs verspricht, dass die Sachen sonderlich köstlich seien. Vielmehr seien sie sonderlich gut für dich, was man dem Obst und Gemüse schon daran ansieht, dass die Gurken, Bananen undsoweiter aufgereiht strammstehen wie die Zinnsoldaten, sodass sich vor dem inneren Auge des Betrachters ein Berg verrottender Feldfrüchte erhebt, die leider nicht entsprochen haben. Ebenfalls sehr gut ist wahrscheinlich hydrogenated water, also mit Wasserstoff angereichertes Wasser, also wässrigeres Wasser. Noch besser ist gewiss der spanische Schinken, vorgeschnitten und eingeschweißt, dessen Kilopreis sich bei ungefähr 1.000 Euro einpendelt. Im Vergleich zu Tortillachips für 100 Euro kann man das billig oder teuer finden.

Die Zielgruppe sind, wir haben es schon angedeutet, nicht etwa Gourmets (blöd wären sie), sondern Influencer und Hipster mit mehr Kohle als Verstand.

Weit preisgünstiger als Shoppen mit Gspritzten, nämlich um die Leihgebühr der Ausrüstung zu haben, ist Schnorcheln mit Seelöwen. Solches findet ein Stück weiter statt, nämlich bei San Diego. Dortselbst gibt es eine Bucht, in der sich die Seelöwen gerne aufhalten. Ebenso wie die Hipster lassen sie den Neugierigen ganz nah an sich herankommen. Man vermutet, das liege – auch dies wie bei den Hipstern – daran, dass die Seelöwen genau wissen, wer sich in ihrem natürlichen Habitat flinker zu bewegen vermag. Anders als jene sind die Seelöwen aber in diesem Wissen umso entspannter, während viele Hipster etwas verbissen wirken auf ihrer Suche nach Produkten, die ihr Befinden weiter optimieren könnten.

Was sonst noch auffällt: Raymond Chandler hielt schon vor bald 80 Jahren fest, dass die Tür der einzige Teil eines kalifornischen Hauses sei, durch den man nicht den Fuß kriegt. Diese geringe Haltbarkeit ist mittelfristig für das Auge von großem Vorteil, denn die überwältigende Mehrheit der Behausungen ist hässlich. Es gibt hässlich in billig (mit Autowracks davor) und in teuer (mit automatischem Tor davor) sowie natürlich auch dazwischen (mit Zufahrt ohne Autowrack davor). Hässlich sind sie aber fast alle. Das durchschnittliche niederösterreichische Eigenheim wirkt im Vergleich dazu wie ein Riedelglas, das durchschnittliche Vorarlberger Eigenheim wie van Goghs „Sonnenblumen“. Man kennt die Bezeichnung McMansion für einigermaßen luxuriöse, aber ästhetisch nebbiche Anwesen (auch bekannt als starter castle). Und man kann beinahe ein bisschen Mitleid mit all den Berühmtheiten bekommen, die zweistellige Millionenbeträge für Palästchen anlegen, die genauso augenkrebsgefährlich sind, aber halt mehr davon.

Lasset uns also frohlocken ob dessen, was wir haben. Auch nach der Wahl.

Schönes Wochenende!

Freitag, 6. September 2024

Guter Rat


Man hört überhaupt nichts mehr vom Jugendkult, o junggebliebene Lesehäschen. Vor ein paar Jahren war allen klar, dass man mit spätestens 40 die verbleibende Lebensenergie darein investieren musste, weiterhin wie 38 daherzukommen, wenn man nicht von Väterchen Zeit abgehängt werden wollte. Brrr! Da hätte man sich gleich einen Blouson und heftpflasterfarbene Schnürschuhe – bequeme breite Passform – kaufen können. 

Seit der Pandemie will aber keiner mehr jung sein, weil die Jungen alle arm sind. Keine Kindheit, keine Jugend, keine sozialen Kontakte, hat alles das Virus aufgefressen. Trotzdem gibt es Bereiche, in denen die Kinder immer noch das Kommando haben. Zum Beispiel die Werbung: Wenige andere Branchen legen es einer im Schnitt derart jungen Gruppierung in die Hände, wie ein nicht zu unterschätzender Teil der Welt um uns herum aussieht. Euer Ergebener kennt den Altersschnitt der anderen Fuzzis nicht, aber ich behaupte jetzt einfach mal: Das Gros der beworbenen Produkte und Dienstleistungen ist für diejenigen, die die Werbung dafür gestalten, weder leistbar noch interessant. Klar wird die Kommunikation von Rheinmetall auch von Kommunikationsprofis gestaltet und nicht von Panzerkommandeuren oder Beschaffungsämter. Es brauchen aber mehr Panzerkommandeure ein Shampoo als Friseure einen Panzer.

Doch wer zieht gerade ernstlich den Abschluss einer Lebensversicherung, einen Bankwechsel  oder den Erwerb eines E-Autos für 60-, 70.000 Euro in Betracht? Wahrscheinlich nur selten die 28-jährigen Juniordesigner, die sich mit dem entsprechenden Plakat oder Banner abplagen. Kein Wunder, dass sich viele irgendwann von der Werbung abwenden, in der oft irrigen Hoffnung, anderswo eher in die BMW-Zielgruppe aufzusteigen.

Klüger, zumindest für die Ausführenden, ist das in der Beratungsbranche geregelt. Zumindest, wenn man einem Freund eures Zweckdichters glauben darf, der den größeren Teil der beschriebenen Laufbahn schon hinter sich hat:
Man fängt bei einer Beratungsfirma als hoffnungsfroher Jungspund an. Dann verbringt man einige Jahre damit, älteren und erfahreneren Menschen zu erklären, wie sie ihre Arbeit besser machen sollen. Anschließend steht man am Scheideweg: Entweder bringt man es zum Partner der betreffenden Beratungsagentur. Oder man wechselt auf Kundenseite, da man ja nun die nötige Berufserfahrung gesammelt hat, um eine Beratungsagentur zu engagieren, die einem dann erklärt, wie man seine Arbeit machen soll. Das ist von großem Vorteil, weil man ja selber bis dahin nur Beratungserfahrung gesammelt hat.

Schönes Wochenende!

Freitag, 30. August 2024

Versprochen

 

Das Warten hat ein Ende, o demokratisch denkende Lesehäschen. Endlich ist Wahlkampf! Und damit wieder die Zeit des „Stopp dem“ und des „Es braucht“ – das eine grammatisch fragwürdig, das andere inhaltlich unentschlossen.

Leider, leider muss man sagen, dass die FPÖ beeindruckend vorgelegt hat. Denn sie liefert Wahlversprechen, die garantiert in Erfüllung gehen.

„Dein Herz sagt ja“ ist noch die harmlosere der beiden Botschaften, indem der Appell an die Emotion beinahe schon sympathisch durchschaubar daherkommt, weil man nicht umhinkann, gedanklich die Fortsetzung „aber wenn du bei Verstand bist …“ zu ergänzen. Gleichwohl fällt schon hier auf, dass offenbleibt, welchem Anliegen dein Herz eigentlich zustimmt. Antwort: Das darfst du dir aussuchen, weil es in Wahrheit wurscht ist. Was wir im Falle eines Wahlsiegs anstellen, packeln wir uns dann sowieso mit stakeholders aus, die sich eher vom Pochen ihres Kontostandes als ihrer Blutpumpe leiten lassen.

Der wahre Geniestreich politischer Inhaltslosigkeit wartet aber auf dem anderen Plakat: Euer Wille geschehe fordert Kickl hier auf. Worin dieser Wille bestehe, ist dem kleinwüchsigen Kapazunder natürlich vollkommen egal. Der einzige Wille, der tatsächlich geschehen möge, wenn es nach ihm geht, ist jener, das Kreuzerl bei der FPÖ zu machen. Damit das eintritt, darf sich das Wahlvolk einbilden, es wähle damit eine Partei, die mit seinen Anliegen etwas am Hut habe.

Jetzt ist natürlich die Frage, was das soll. Die Blauen glänzen nicht gerade mit Inhalten, denen große Chancen auf Realisierung beschieden sind. Und wenn die Wählerschaft innehielte, um diese Inhalte genauer unter die Lupe zu nehmen, käme sie wahrscheinlich darauf, dass eine solche Realisierung ihr selber nicht zum Vorteil gereichte. Die FPÖ setzt daher immer noch darauf, als „Protestpartei“ zu reüssieren, d.h. als Partei für jene, denen eine ungültige Stimme ein zu kleiner Scheißhaufen vor der Tür der Demokratie ist, und die ihn daher in einen Papierbeutel packen, um anschließend das Streichholz einer Stimme für die Blauen daranzuhalten.

Insofern verspricht Kickl nicht zuviel. Wer ihn wählt, darf sich nicht mehr erwarten, als ihn gewählt zu haben, denn mehr hat er ja auch nicht versprochen.

Man kann daher vor den Verantwortlichen nur ehrfürchtig den Hut ziehen. Sie haben es geschafft, den maximalen Mangel an Inhalt in die maximale Form an Verheißung zu gießen und im Vorbeigehen noch der Kirche eins reinzuwürgen, um vielleicht den kläglichen Resten christlicher Gesinnung in der ÖVP etwas zufleiß zu tun.

Schönes Wochenende!

Freitag, 23. August 2024

Ihre Sorgen

 

Wir können uns wieder lockermachen, o endzeitbesorgte Lesehäschen. Zwar steht auf der Shortlist zum „Jugendwort des Jahres“ das Jugendwort 2012 („yolo“). Und auch „Digga“ macht sich hier unangenehm breit, ein Begriff, der mindestens seit 2005 kursiert und nie cooler war als „Oida“. Unter den hoffnungsfrohen Kandidaten, die es dann doch nicht in die Top Ten geschafft haben, dürften sich vermutlich „Bandsalat“, „Fisimatenten“ und „Droschke“ finden, die im Vergleich zu „yolo“ geradezu knackfrisch daherkommen.

Es geht aber noch schlimmer. Die Dudenredaktion informiert über Änderungen im Wortbestand des beliebten Nachschlagewerks. Dankenswerterweise sind die „Spagetti“ rausgeflogen, die mindestens so elend sind wie der „Schofför“ (den gibt es noch), sowie der „Tunfisch“, der für nichts gut war als einen halblustigen Witz.

Im Gegenzug wurde aber ein Wort wieder aufgenommen, das schon einmal gestrichen worden war. Es handelt sich um den Hackenporsche. Für alle, die das diesseits der Linie Düsseldorf – Leipzig – Breslau lesen: Ein „Hackenporsche“ ist das, was ein ordentlicher Mensch als Einkaufstrolley kennt. (Zur Erinnerung: „Hacken“ heißen jenseits der gedachten Linie die Fersen wie auch die Schuhabsätze, womit die Unnötigkeit des Wortes hinreichend belegt ist. Schließlich leisten wir uns auch verschiedene Wörter für „Auge“ und „Brille“.) Wie Die Rheinpfalz in Übereinstimmung mit der Tagesschau mitteilt, sei dieser Begriff „scherzhaft“.

Haben alle fertiggelacht? Sehr schön. Ist ja auch echt lustig, dass ein Einkaufswagerl nach einem Sportwagen benannt wird, weil, ähm, tja, weil man ihn nachzieht? Ich glaube, ja.

Aber jetzt kommt’s: Warum darf der Hackenporsche „ab jetzt wieder im Duden seine Runden drehen“, wie Die Rheinpfalz wohl ebenfalls „scherzhaft“ feststellt? Ist der Dudenredaktion ein Fehler unterlaufen? Wurde ihr Server gehackt?

Nein: Der Hackenporsche besticht deshalb in Deutschlands maßgeblichem Wörterbuch wieder mit sportlicher Straßenlage, wie ich euch scherzhaft wissen lasse, weil sich Leute darüber beschwert haben, dass er gestrichen worden war.

I shit you not: Es gibt tatsächlich auch heute Menschen, die Zeit und Lust haben, sich zu beklagen, dass ein lexikalischer Flachwitz nicht mehr quasioffiziell abgesegnet wird. Dann ist es wohl doch nicht so schlimm. Schönes, unbeschwertes Wochenende!

 

 

Freitag, 16. August 2024

Frommer Wunsch

 

Ich möchte euch, o lakonische Lesehäschen, etwas mitteilen. Achtung also: Gleich kommt die Information, was ich euch gern mitteilen würde. Danach rutscht ihr dann zweifellos ungeduldig auf der Stuhlkante herum, bis ich es euch endlich mitteile. So läuft das nämlich, wenn kommunikativ alles seine Ordnung hat.

Mitteilen möchte ich euch, dass solche Sätze komplett für die Fisch’ sind. Ganz besonders mit dem unnedigen Konjunktiv „möchte“. Zur Erinnerung für alle, die vergessen haben, dass „möchte“ von „mögen“ kommt: „möchte“ kommt von „mögen“. Daher gibt es auch keinen Indikativ (a.k.a. Nennform) „möchten“, sondern nur den Plural „wir/sie möchten“.

Neulich erblickte euer Ergebener nämlich einen Zettel an einer Ladentür: „Wir möchten Sie darüber informieren, dass …“ (der Laden im Sommer eine Weile geschlossen bleibt). Jungs/Mädels/Sternchen: Macht das doch einfach! Frisch von der Leber weg! Sagt einfach „Liebe Kunden und Kundinnen“ (Sternderei nach Belieben), „im Sommer haben wir von dann bis dann zu.“ Ende der Geschichte, alle wissen Bescheid, bis auf den Dude, der eine so geniale Geschäftsidee hatte, dass er nebenbei auch ein „UPS Access Point“ wurde, aber zu doof war, dem UPS-Boten vor Urlaubsantritt noch herumliegende Pakete mitzugeben: Abholung bis spätestens 15. August. Laden hat aber bis 16. zu. Zweckdichterbalg not amused.

Schon mit „wir wollen Sie informieren“ wird es eigenartig. Eh schön, dass du mir sagst,  dass du mir etwas sagen willst. Warum nicht einfach sagen? „Wir möchten Sie informieren“ lappt aber vollends ins Absurde, weil eben Konjunktiv. Wir würden das urigstens gerne mit euch bereden, verehrungswürdige Kund*innen, aber

wir haben ein Gelübde abgelegt

das Wetter ist nicht danach

die Sterne stehen ungünstig

wir haben Halsweh

egal.

Jedenfalls liegt ein Umstand vor, der es uns zwar gestattet, Ihnen mitzuteilen, was wir gern täten (nämlich Ihnen etwas mitteilen). Aber wirklich mitteilen können wir es Ihnen nicht. Aber warte: Jetzt wissen Sie es ja doch. Was ein Glück.

Für alle, die nicht wissen, was sie mir schenken sollen: Schenkt mir nichts. Schenkt euch diese Mätzchen. Und verwendet „möchte“ nur, wenn ihr euch echt nicht sicher seid.

Schönes Wochenende!


Freitag, 9. August 2024

Olympischer Gedanke

 

Immer, wenn eine Person von königlichem Geblüt in den Bund der Ehe eintritt oder ein Bankl reißt a.k.a. sich in eine bessere Welt verabschiedet, tritt ein Berufsstand ins Rampenlicht, von dem man sonst als Mainstreammedienkonsument eher wenig mitbekommt, nämlich die sogenannten Adelsexperten. Im Gegensatz zu Normale-Leute-Experten, auch bekannt als Soziologen, machen jene viel Aufhebens vom Fortkommen eines jeglichen Individuums. In den Dürreperioden, wenn sämtliche Royals dieser Welt sich fader Gesundheit und ehelichen Glücks erfreuen, fretten sie sich vermutlich damit durch, die Seiten untoter Klatschblätter wie der „Neuen Post“ und des „Goldenen Blatts“ zu betexten. Wer nie bei der Oma geschaut hat, was der Leserzirkelmann so vorbeibringt: Die Gala ist dagegen Pulitzerpreis. Kürzlich hatte euer Ergebener Gelegenheit, in einem Wartezimmer (wo sonst!) einen Blick in eine Postille dieses Kalibers zu werfen. Da war zu lesen, dass irgendwer Adliger oder sonstwie Abgehalfterter eine neue Beschäftigung für sich entdeckt habe, nämlich Handyspiele. Dies erfuhr das p.t. Publikum unter der Headline Lustiger Zeitvertreib. Damit weiß man wahrscheinlich alles über die Klatschpresse alter Schule, was es zu wissen gibt.

Offen blieb bisher die Frage, ob man davon als Adelsexperte leben kann, besonders angesichts der ärgerlichen Zählebigkeit gerade der besseren Stände. Die weiland Queen ist da nur ein besonders bekanntes Beispiel von vielen.

Dank den olympischen Spielen kennen wir nun die Antwort. Denn auch für manchen Kommentator gilt offensichtlich „Dabeisein ist alles“, besonders bei Sportarten, die zu Unrecht! sonst nur selten ins Rampenlicht treten. Die bestallten Sportauskenner der Sender sagen wohl: Nee du, das interessiert ja sonst nie wen, keinen Nebel davon, wenn ich mich da ans Mikro setze, kommt nur Blödsinn raus, man ist ja Profi, bitte sucht euch jemanden.

Und siehe, nichts findet sich leichter als ein Adelsexperte. Denn diese sind nicht nur mit Tagesfreizeit ausgestattet, sondern auch mit einer beneidenswerten Sorglosigkeit, wenn es darum geht, sich in der Öffentlichkeit über Dinge zu verbreiten, von denen sie keine Ahnung haben. Kein Wunder, stellt dies doch im Groben ihre Berufsbeschreibung vor.

Anders ist es nicht zu erklären, dass man etwa zur Rhythmischen Sportgymnastik vom Kommentator aufgeklärt wird, dass die aktuell tätige Turnerin eine schöne Stimme habe (zweimal!), dass 0,3 weniger ist als 0,4 und ähnliche Erkenntnisse. Wer also den Überdrübertraumjob „IOC-Funktionär“ (null Verantwortung, maximales Spesenkonto, hohe Schmiergelderwartung) nicht derglengt, für den hält Olympia einen Trostpreis bereit.

Schönes Wochenende!


Freitag, 2. August 2024

Übergewicht


 

Man lernt bekanntlich nie aus oder, wie auf den Give-away-Bleistiften des Knabenkonvikts Marianum zu Bregenz stand, „nia us“. Wer auf die Website dieser schätzbaren Institution schaut, stellt fest, dass auch die Diözese Feldkirch dazugelernt und eingesehen hat, dass aus einer betreuten Unterbringung für Gymnasiasten aus dem ländlichen Raum nicht automatisch Theologiestudenten mit Berufsziel Pfarrer herausfallen, sondern möglicherweise Querulanten, die alles Mögliche andere werden wollen. Daher ist das Marianum nun ein sogenannter „Bildungscampus“, was in diesem Fall einen Bauchladen bedeutet, in dem man vom Schülerwohnheim über den Kindergarten bis zur Kinderpsychiatrie so allerlei findet. Kein Wunder, dass die einst so beliebten „Altmarianertage“ offenbar völlig abgekommen sind.

Was haben wir also kürzlich gelernt? Eigentlich nichts. Wir haben nur wieder einmal bestätigt bekommen, dass Adorno recht hatte. Es gibt tatsächlich kein richtiges Leben im falschen, denn wenn du ein Antisemit bist, ist dein Sitzen nicht Jazz, aber dein Essen antisemitisch. Das erfuhr man bei den ansonsten sehr erfreulichen (Vielseitigkeitsreiten in Versailles!) Olympischen Spielen, an denen natürlich auch Israelis teilnehmen, darunter der Judoka Tohar Butbul. Er kam bereits bei den Spielen 2021 kampflos ins Achtelfinale, weil ein Algerier und ein Sudanese zurückzogen, um nicht gegen einen Juden kämpfen zu müssen.

Jetzt in Paris verzichtete sein Gegner Dris, wieder ein Algerier, nicht etwa auf die Teilnahme. Denn sein Teamkollege war nach seiner Weigerung in Tokio vom Weltverband für zehn Jahre gesperrt worden. Wie kommt man aus dem Dilemma, einerseits seine sportliche Karriere fortsetzen und andererseits Israel öffentlich das Existenzrecht absprechen zu wollen?

Die Lösung ist Essen. Der Doch-nicht-Kampfsportler verzichtete auf den sonst gern vor dem Abwiegen angetretenen Saunabesuch und tat sich stattdessen am Buffet gütlich – alles halal, natürlich. Und siehe: Er wurde eine Idee schwerer, als es seiner Gewichtsklasse ansteht, und durfte nicht kämpfen.

Bekanntlich sind die Meinungen ja verschieden wie Watschen. Aber euren Ergebenen mutet dieses Bubenstück der Bauernschläue doch recht armselig an. Üblicherweise gehen mit einer Weltanschauung oder Religion, die einem manche Dinge verbietet, auch die Eier einher, sie halt aus genau diesen Gründen bleiben zu lassen. Aber sich anzupampfen, damit man disqualifiziert wird oder wie immer der richtige Ausdruck heißt, ist ziemlich genauso würdevoll wie ein Drittklässler, der Zahnpasta schluckt, um vor der Schularbeit Fieber zu bekommen. Klappt natürlich nicht, aber speiben muss er immerhin, was man dem Herrn Dris auch nur wünschen kann. Immerhin zeigte sich der Teamsponsor, der größte Mobilfunkbetreiber Algeriens, begeistert. Na dann: Schönes Wochenende!

Freitag, 26. Juli 2024

Farbe

Es ist nun, o resignierte Lesehäschen, offiziell. Erstens ist Breakdance olympisch, Poledance aber nicht. Was bitte soll das? Ich orte hier eine höchst verwerfliche Diskriminierung von Menschen, die bei ihrer rhythmischen Gymnastik dem Ball eine Stange vorziehen, von dem lächerlichen Stäbchen mit der Stoffbahn dran ganz zu schweigen. Das ist nicht die Zukunft, die uns versprochen wurde, damals,  als alles immer besser wurde.

Weiters hat Deutsch resigniert. Es ist nämlich nicht mehr statthaft, für eine bestimmte Gruppe von Menschen das Adjektiv „farbig“ oder, auf Englisch, „colored“ zu verwenden. Dies deshalb, weil die Wörter kolonial und damit rassistisch belastet sind, da sie ursprünglich dazu dienten, die weniger geschätzten so bezeichneten Leute von den angeblich wertvolleren Farblosen und also Weißen zu unterscheiden.

So weit, so ungut. Die Lösung aber ist sonderbar. Sie lautet nämlich: „People of Color“. Das darf man vollrohr sagen, weil die „Leute von Farbe“ im Unterschied zu „Farbigen“ klarerweise nicht rassistisch sind, obwohl der eine Begriff ebenso auf die unterschiedliche Pigmentierung ihrer Haut reflektiert wie der andere.

Es dürfte hier dieselbe Logik regieren, die auch schon die „Armen“ abgeschafft und durch „Armutsbetroffene“ ersetzt hat, wie hieramts vor Jahren dargelegt. Denn es gilt jene, die bloß keine Kohle haben, von den anderen zu unterscheiden, denen diese Tatsache zu schaffen macht. Die „Reichen“ hingegen sind, wie das Wort unschwer erkennen lässt, immer schon selber schuld, da es keine „Reichtumsbetroffenen“ gibt.

Resigniert hat das Deutsche, da die „People of Color“ sich offenbar auf Deutsch nicht mehr sinnvoll und beleidigungsfrei bezeichnen lassen. „Leute mit Farbe“ ist, mit Verlaub, strunzdoof. Leute mit Farbe sind entweder Maler oder welche, denen öfters mal das Rouge auskommt.

Und die „Leute von Farbe“ sind, so wie „Leute von Geschmack“ oder „Leute von Stand“ oder gar „Leute von heute“, formulierungstechnisch dermaßen von gestern, dass man angesichts ihrer unwillkürlich nach dem Riechfläschen greift und natürlich keines findet, weil heutzutage nur noch US-Spitzensportler in Hockey und Football die segensreiche Wirkung des Riechsalzes zu schätzen wissen (ja, echt, behauptet zumindest Wikipedia). Wir begrüßen also ein neues Fremdwort und fragen uns ganz fest nicht, worin sein Sinn liegen könnte.

Schönes Wochenende