Samstag, 26. Dezember 2020

Reimschleim 2020


 

Dürfen wir jetzt wirklich zu zehnt?

Hat der Kanzler da was erwähnt?

Gilt jede Ausnahme, Hauptsache, man feiert?

Scheint es, dass die Regierung heftig rumeiert?

 

Wenn auf alles ein schallendes „eh klar“ ertönt,

der Zoo zu hat und der Eislaufplatz offen.

Dann hast du dich mit dem Daheimsein versöhnt.

dann ist Pandemie, dann sind wir betroffen.

 

Ich hoffe, du hattest es halbwegs erträglich.

Du hoffst, das nächste Jahr wird bald alltäglich.

Wir hoffen, dass wenigstens Weihnachten smooth rennt.

Denn 2020 braucht jetzt: ein Happy End!

Freitag, 18. Dezember 2020

Angst vor Fliegen

 

Mein lieben Lesehäschen, der Teufel liegt im Detail. Das gilt besonders dann, wenn man (jaja, Pandemie!) nichts besseres zu tun hat, als sich mit der korrekten Aussaat von Beistrichen (für die nördlichen Häschen: Kommata) zu befassen. Der Beistrich ist ja der Fliegenschiss unter den Satzzeichen, woher der bekannte satanische Ehrentitel Herr der Fliegen rührt. Wie ein Fliegenschiss an der ansonsten klaren Fensterscheibe zieht auch der unrichtig gesetzte Beistrich betretene Blicke auf sich, ist aber noch schlimmer als jener: Glänzt der Fliegenschiss durch Abwesenheit, so ist alles paletti, während der Beistrich ebenso schmerzlich fehlen kann, wie er, wenn überflüssig, stört. Wie man es also macht, kann es falsch sein, woraus man immerhin ersieht, dass die Sprache lebendig ist, weil es im Leben nicht anders ist.

Obzwar alle Beistriche grundsätzlich gleich wichtig sind, gibt es natürlich welche, die gleicher wichtiger sind, weil sie an exponierter Stelle stehen, also zum Beispiel am Anfang und Ende einer WhatsApp, die wahrscheinlich jemand über 40 verfasst hat, weil kein Schwein unter 40 auf die Idee käme, auf WhatsApp Begrüßungs- und Abschiedsfloskeln zu verwenden.

Da kommt es jetzt auf die Fliegenschisse an.

 

Liebe Lesehäschen,

dass am Anfang ein Beistrich steht, am Ende aber nicht, hat sich wohl schon herumgesprochen.

Mit herzlichem Gruße

dein Zweckdichter

 

Wie man sieht, wird eine Anrede mit Beistrich abgetrennt (also ihr, „Liebe Lesehäschen“), während „Mit herzlichem Gruße“ keine Anrede ist und daher auch keinen Beistrich abkriegt.

Weil aber der Teufel vom Fliegenherumkommandieren nicht müde wird, schläft er nicht. Das Ende der fliegenverdreckten Fahnenstange ist daher noch nicht erreicht. Denn auch ein Ausruf kann eine Begrüßung sein, wenn du deines alten Kumpels Sebastians ansichtig wirst und fröhlich krähst: Hallo Sebastian! Oder du krähst stattdessen Hallo, Sebastian! Denn die einschlägige Regel hält fest, dass man Ausrufe hervorheben darf, aber nicht muss. Du kannst also schreiben:

Ach, wie weh tut mir der Mangel an evidenzbasiertem Handeln.

Aber auch:

Ach lasst mich doch in Ruhe mit euren Verschärfungen.

Der Beistrich hängt nur davon ab, aus welcher Tiefenzone deines Herzens sich dir ein ach entringt.

Freilich gibt es auch Ausrufe, die von Haus aus keinen Beistrich vertragen:

O Sebastian, gehe in dich und lerne Zahlen korrekt zu interpretieren.

Hier passt kein Beistrich hinters O und kein Fliegenschiss auf die fragliche Kompetenz, weil weder im einen noch im anderen Fall genügend Raum für das eine oder andere vorhanden ist.

Solltest du, kontaktfreudiges Häschen, nun etwas zu formulieren haben, das mit Hallo beginnt, wie hältst du es dann mit dem Beistrich?

Mein Rat: je nachdem.

Ein Hallo, Sebastian, ist gar beistrichreich, hier empfehle ich Mäßigung: Der Beistrich nach Sebi genügt. Ist Sebastian aber schwer von Begriff, sodass du dich erneut an ihn wendest, mit einem immer noch fröhlichen Hallo nochmals, Sebastian, dann ist hier ein Beistrich nicht verkehrt, damit man gleich weiß, dass es um ein nochmaliges Hallo geht und nicht um einen erneuten Sebastian, wäre ja noch schöner. Ja, so ist das mit den Fliegenschissen.

Schönes Wochenende!

Freitag, 11. Dezember 2020

Recht haben

 

Wie angeteast, meine lieben Lesehäschen, ist es Zeit, sich den einen oder anderen laienhaften Gedanken über Rechte zu machen. Für alle, die es nicht kennen: Rechte sind was sehr Schönes, besonders, wenn man sie selber hat. Haben andere sie, kann das bisweilen lästig sein, aber aber da muss man sich halt arrangieren. Die vorübergehend hoffnungsfrohe SPD-Tante Franziska Giffey gab gewaltbereiten Mitmenschen einmal als Anhaltspunkt, dass deren Recht, den Arm auszustrecken, dort ende, wo ihre (also Frau Giffeys) Nase beginnt. So weit, so klar.

Das gilt übrigens auch für Andreas Khol. Seiner Ansicht nach hat ja Pamela Rendi-Wagner „danach gerufen, ihr eine aufzulegen“, was, wie er danach zu präzisieren gezwungen war, eine urtirolerische Formulierung dafür ist, „dass man Frau Rendi-Wagner für ihre unsachlichen Aussagen über die Bundesregierung kritisieren muss“. Damit haben wir alle etwas dazugelernt, und es bleibt nur zu ergänzen, dass man auch Herrn Khol dafür kritisieren muss (vielleicht mit der flachen Hand, keine Ahnung, wie er das gemeint hat, am besten fragt ihr ihn selber), dass er sein einstiges Wahlvolk derart für blöd verkaufen zu können glaubt.

Besonders hübsche Rechte sind die Menschenrechte. Da gibt es zum Beispiel das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit, aber auch so Sachen wie die Reise- und Versammlungsfreiheit oder die Meinungsfreiheit, dank welcher du auf die Straße gehen und auf Politiker schimpfen darfst. Zumindest meistens. Denn es können ja, wie wir auf die harte Tour gelernt haben, Umstände eintreten, die quasi der Supertrumpf der Gesellschaft sind. So ein dunkler Supertrumpf ist Covid. Es sticht das eine oder andere Menschenrecht, weshalb wir eben nicht so einfach gemeinsam über die Politik schimpfen, um den Globus fliegen oder uns absichtslos zusammenrotten dürfen.

Wie es aber im Quartettspiel der Würde einen Supertrumpf gibt, der Menschenrechte sticht, gibt es – Glück oder nicht – auch einen Hypertrumpf, gegen den der Supertrumpf abstinkt. Denn man kann wohl, um eine Pandemie im Zaum zu halten, die Bevölkerung zum Daheimbleiben anhalten. Man kann das Versammlungsrecht einschränken, man kann das Recht auf Teilhabe am kulturellen Leben auf Standby schalten. Und selbstverständlich kann man die Leute dazu verpflichten, Schutzmasken zu tragen – die Kunden im Supermarkt oder in der Apotheke, die Fahrgäste im Bus und die Schüler im Unterricht. Doch genau hier findet der Pandemiesupertrumpf endlich seinen würdigen Gegner. Denn es ist kein Problem, den Schülern Masken umzuschnallen, sonst hält die ganze Klasse die Luft an! Den Lehrern aber – jenen Lehrern, die in einem herkömmlichen Klassenzimmer mit Abstand am meisten reden und damit im Falle eines blöden Falles auch am meisten Viren von sich blasen – den Lehrern kann man das nur empfehlen, nahelegen, auf ihren gesunden Menschenverstand zählen und sonst noch allerlei.

Man kann sie aber nicht dazu verpflichten. Denn das, meine lieben Lesehäschen, wäre ein Eingriff in das Dienstrecht. Wir lernen also in der Schule, aber sehr wohl fürs Leben, dass das österreichische Lehrerdienstrecht ein noch wertvolleres Gut ist als jedes hergelaufene Menschenrecht!

Mindestens so wertvoll ist natürlich die österreichische Justiz. Mit einer Woche Verspätung erheben wir unsere Gläser auf sie. Prost! Und schönes Wochenende.

 

Freitag, 4. Dezember 2020

So einfach kann es sein

 

Es heißt zwar, dass guter Rat teuer sei. Das ist aber in Zeiten wie diesen offensichtlich Unfug. Rat ist heute so billig zu haben wie nie. Als kreiskygeschulte Keynesianerhäschen wisst ihr natürlich, was ihr zu tun habt, weshalb euer serviceorientierter Kolumnator nicht anstehen darf, euch eine unvollständige Zusammenschau dessen zu liefern, was auf dem Ratschlagsmarkt derzeit geradezu verramscht wird, auf dass ihr die Qualität des Gebotenen als mündige Ratskonsumenten selbst beurteilet und dann gut antizyklisch preiswerte Ratschläge bevorraten könnt.

Recht billig gibt es, wie euch nicht entgangen sein wird, Christine Aschbacher, die uns wissen hat lassen, was im Homeoffice erstrebenswert sei: nämlich beispielsweise Licht, Luft und Wärme. Leider hat die Arbeitsministerin vergessen, auch ein Dach über dem Kopf zu stipulieren, sowie die regelmäßige Versorgung mit ausreichend Nahrungsmitteln und die Möglichkeit, bei Bedarf eine Toilette aufzusuchen. Immerhin erinnert sie uns daran, dass es ungünstig ist, wenn man über eine Leiter ins Homeoffice steigen muss. Auch hier fehlen aber entsprechende Hinweise für Seil- und Wasserrutschen, glühende Kohlenbahnen oder stark befahrene Verkehrswege, die man ja auch nicht überqueren müssen will, nur um dann MS Teams zu starten. Vielleicht kommt das ja dann in der nächsten Pressekonferenz.

Ein echtes Sonderangebot unter den Ratschlägen hat Dagmar Belakowitsch für uns in petto. Frau Belakowitsch ist, für alle, die das jetzt nicht parat haben, promovierte Medizinerin. Wenn das keine Referenzen sind! Erfreulicherweise hat sie aber dem Fachidiotinnentum eine klare Absage erteilt, indem sie sich als Literaturfeinspitz im Allgemeinen und Verehrerin des Poeten Christian Morgenstern im Besonderen positioniert. Denn sie hat uns via Fernsehnachrichten ausrichten lassen, dass wir lieber nicht an den Corona-Massentests teilnehmen sollen. Damit, so die Abgeordnete, riskiert man nämlich ein positives Ergebnis (wer wollte da widersprechen!), und dann kann man nicht mit seinen Lieben Weihnachten feiern. Dabei hat sich die Expertin offenbar von Morgensterns berühmtem Gedicht Die unmögliche Tatsache inspirieren lassen. Dort wird Palmström von einem Auto angefahren, und zwar in einer Fahrverbotszone. Er schließt daraus, dass der Unfall nur ein Traum war, weil nicht sein kann, was nicht sein darf. Möge auch die FPÖ-Gesundheitssprecherin (das ist Frau Belakowitsch nämlich) gleicher Gewissheit nie ermangeln! Dann ist ihr eine große Zukunft gewiss, die sich keineswegs in den engen Bahnen des Gesundheitsbereichs erschöpfen muss. Im Innenministerium zum Beispiel harrt ihrer ein riesiges Betätigungsfeld für massive Einsparungen, sobald wir uns einmal klarmachen, welches Risiko polizeiliche Ermittlungen bergen: Man läuft dabei immer Gefahr, daraufzukommen, dass jemand etwas angestellt hat. Nicht umsonst weiß das englische Sprichwort Ignorance is blissetwas nicht zu wissen kann eine wunderbare Erfahrung sein. Auch das Finanzministerium kann – gerade unter der Ägide des Herrn Blümel – bestimmt jemanden brauchen, dem klar ist, dass man bei allzu scharfem Rechnen womöglich feststellt, dass sich das nicht ausgeht.

Nächste Woche vielleicht: Rechte in Österreich.

Bis dahin viel Glück, Dagmar, und schönes Wochenende euch allen!

 

Freitag, 27. November 2020

Ein Aufhebens

 

Wer, o gedächtnisstarke Lesehäschen, erinnert sich noch an die letzte Singleauskoppelung der Ersten Allgemeinen Verunsicherung vor ihrem ersten Nummer-1-Hit? Ja klar, das war Ba-Ba-Banküberfall, damals am 1. Dezember 1985. Die Scheibe schaffte es auf Platz 4, im März darauf kam der Märchenprinz. Wer hat damals besonders gut aufgepasst? Nicht etwa unser vielgeliebter Herr Bundeskanzler, denn der hat immer gut aufgepasst, weshalb es eine unangemessene Unterstellung wäre, zu behaupten, er habe einmal besonders gut aufgepasst. Gut aufgepasst hat er aber, wie man ihm anhört. Daran ersieht man wieder einmal seine Erlöserqualitäten. Dürfte doch die Zeugung des damals gerade erst werdenden Bundesbauxerls am oder um jenen 1. Dezember vonstatten gegangen sein, und schon war er aufmerksam!

Denn was, um die Glückssträhne der rhetorischen Fragen nicht abreißen zu lassen, hat der Ich-Erzähler der besagten Panzerknackerhymne laut eigenem Bekunden? An Hunger und an Durscht, also, falls das einmal jemand nördlich des gern launig so genannten Weißwurstäquators lesen sollte, einen Hunger und einen Durst.

Dies ist eine sprachliche Spezialität, besser gesagt, ein Schmankerl, das einen eigenen Namen verdienen würde: dass man nämlich dem Sprachduktus einen dialektal-umgangssprachlichen Anstrich verleiht, indem man nicht Zählbares mit dem unbestimmten Artikel verheiratet. Denn dieser ähnelt bekanntlich dem ersten Zahlwort in einer schier nicht enden wollenden Reihe derselben, der Eins!

Warum umgangssprachlich? Weil, so die Logik der Näselnden, nur ein Umgangssprecher freiwillig den Eindruck erweckt, er würde Unzählbares zählen. Wie dank EAV allseits bekannt, hat man im erdigeren Umfeld Ostösterreichs nicht Hunger, sondern einen Hunger, und nicht Durst, sondern einen Durst. Der Klugscheißer rümpft darob die Nase.

Nicht so der Kanzler, dessen rhetorische Begabung sich, beiläufig gesagt, in dem Kunstgriff erschöpft, genau diesen unbestimmten Artikel zu setzen, auf dass am Ende Volkstümlichkeit herauskomme. Deshalb hat er uns in seiner Rede zum jüngsten Lockdown erklärt, wann wir hinausdürfen: wenn wir einen Bedarf haben. Möglicherweise auch mit zwei Bedarfen, oder Bedärfern, oder Bedarfsenen, wer weiß das schon so genau. (Wer es genau wissen will: Duden kennt „fachsprachlich“ tatsächlich den Plural Bedarfe. Er kennt allerdings auch den Plural Milche, der ebenfalls nur etwas für Spezialisten ist.)

Der Kanzler also gesteht uns zu, nicht nur mehrere Gründe fürs Hinausgehen zu haben, sondern auch mehr als einen Bedarf. Es ist sehr schön von ihm, dass er im Wege der Artikelvergabe ein gerüttelt Maß an Volksnähe beweist. Vielleicht hat er eine Angst, er würde andernfalls nicht wiedergewählt. Er könnte natürlich auch darauf vertrauen, dass er im Ernstfall ein Glück haben wird.

Was er einstweilen jedenfalls außer unbestimmten Artikeln zu vergeben hat, sind bestimmte Summen. Hat sich Herr Kurz doch im vergangenen Mai dazu gezwungen gesehen, schweren Herzens das Repräsentationsbudget, das ihm als Kanzler für Einladungen, Reisen und sonstige Öffentlichkeitsarbeit zur Verfügung steht, zu vervierfachen. Wer weiß, vielleicht könnte Faymann noch Kanzler sein, wenn er rechtzeitig auf diese Königsidee gekommen wäre! Wie auch immer: Kurz hatte die Idee, hat sie umgesetzt und hat deshalb jetzt was? Genau: ein Geld, hingegen immer noch weniger als 1 Erbarmen mit ersaufenden Flüchtlingen.

Schönes Wochenende!abhagb

Freitag, 20. November 2020

Erhebet die Stimmen

 

Brüder- und Schwesterhäschen im Geiste, damit sind wir auch schon beim Thema. Denn hin und wieder flackert die Diskussion auf, ob Gotteshäuser im Lockdown offen bleiben sollen oder nicht – die katholische Kirche hat die Frage damit erledigt, dass es einstweilen keine öffentlichen Gottesdienste geben wird. Damit haben die Herrschaften vollkommen recht, weil der Gottesdienst unnötig geworden ist.

Denn es gibt Dinge, die keiner Worte bedürfen. Wenn zwei drauf und dran sind, einander die eine oder andere aufzulegen (zu Andreas Khol vielleicht ein andermal mehr), dann siehst du ihnen das auch auf hundert Meter an, ohne dass du hörst, wie der eine dem anderen ankündigt, dass es jetzt gleich Granada spielen wird.

Ähnlich funktioniert das beim Gemurmel von ferne. Du kriegst auch durch die Wand mit, ob deine Nachbarn sich gerade abhauen oder kurz davon sind, einander in die Goschn zu hauen. Bisher klappte das auch in der Öffentlichkeit. Ob ein Politiker eine Rede hielt oder der Pfarrer eine Predigt, das war schon klar, bevor du noch ein einziges Wort verstanden hattest. Am Brevier geschulter Singsang, dazwischen aus der Kopfstimme geknödelt, alles Mögliche ohne Ansehung des Bedeutungsinhalts schnell heruntergeleiert bis zu den letzten ein, zwei Wörtern eines Satzes, die dafür umso getragener ausgesungen wurden – das konnte nur Liturgie sein. In der Predigt war es ein bisschen anders, aber nur ein bisschen, da bemühte sich der Pfarrer je nach rhetorischem Geschick um gesteigertes Verständnis, gerne gewürzt mit einem Predigtmärlein.

Heute klingt das alles ganz genau so, nämlich bei den unregelmäßigen, aber umso schmerzlicher herbeigesehnten Pressekonferenzen des Bundeserlösers.

Man vergegenwärtige sich den o so oft vernommenen Duktus eines Priesters, der genau weiß, dass alle schon alles mitsingen können und es daher nicht darum geht, was er sagt, sondern dass er es genau so sagt, dass die richtige Mischung aus Weihefülle, Bedeutungsschwere und Vertrautheit rüberkommt.

Und dann pfeife man sich die Pressekonferenz unserer vielgeliebten Regierung vom letzten Samstag (es war der 14. November) und dem Kanzler abwärts nochmal rein, denn es gibt was zu gewinnen:

Für jedes Kabinettsmitglied, das NICHT hundertprozentig ganz genau so dahersermonisiert wie der Pfarrer, wenn er schon lange Zähne nach dem Messwein hat, spendiere ich dem Findehäschen ein gut gekühltes Bierchen in der Glasflasche, abzuholen mit Abstand oder gemeinsam zu konsumieren, wenn das wieder möglich ist. Jeder, wirklich jeder Einzelne aus dieser ganzen traurigen Riege von Als-hätten-wir-es-nicht-längst-wissen-Könnern intoniert sein Sprüchlein, als wäre es das Agnus dei. Weil jedem von ihnen klar ist, dass es zu wenig und zu spät ist und weil sie, gut österreichisch sozialisiert, ganz automatisch darauf hoffen, dass, wie die Hostie sich in Fleisch und der Wein in Blut verwandle, aus papierenen Maßnahmen ein rettendes Konzept werde. Man muss nur den richtigen Ton treffen und ganz fest daran glauben.

So, und alle, die es noch können, beten jetzt ein Vaterunser darum, dass wir ganz bald eine Regierung kriegen, der man gleich anhört, ob sie uns eine diesseitige Lösung oder jenseitige Glückseligkeit verheißt, weil man die politische Rede wieder vom katholischen Ritus unterscheiden kann. Wenn es soweit ist, zünde ich im Stephansdom ein Kerzerl an.

Schönes Wochenende!

Freitag, 13. November 2020

Endlich frei

 

O teure Lesehäschen, es kommt tatsächlich Besseres nach. Denn wir ächzen zwar unter Trumpzuckungen, Pandemie und Klimakrise.  Doch was (so im alten jüdischen Witz) tut Gott? Er schickt uns in die Freizeitgesellschaft, die der Generation eures Kolumnators schon versprochen wird, seit wir „Lohnsteuer“ buchstabieren können.

Aber der Reihe nach. Es ist ja nicht nur die Sprache schon kompliziert genug, auch Mathe ist voll schwierig. Wo aber Gefahr ist, wächst das Rettende auch, so unser alter Rechenkönig Friedrich Hölderlin. Deshalb hat Gott uns Rechenprotze geschickt, damit sie uns das mit den Zahlen abnehmen. Manche von ihnen sind besonders fleißig und können beim Institut für Höhere Studien anheuern.

Dieses IHS hat nun ausgerechnet, dass die Freizeitgesellschaft bald vollrohr reinhauen wird. Die Botschaft ist ein Musterbeispiel dafür, was burying the lede bedeutet: dass der spannendste Teil einer Nachricht irgendwo im Fließtext versteckt ist. Im Artikel zum Thema geht es augenscheinlich um was Todlangweiliges, das keinen Menschen hinterm Ofen hervorholt, nämlich die Frage, ob die Schulen den Präsenzbetrieb aufrechterhalten sollen. Mirdochwurscht, Hauptsache, die Möbelhäuser bleiben offen!

Also wie jetzt? Die Checkerbunnys beim IHS haben den volkswirtschaftlichen Schaden eines Schullockdown (oder heißt es eines Schullockdowns? Antwort: Je tiefer das fremde Wort schon im deutschen Sprachgebrauch verwurzelt ist, desto eher gilt der deutsche Genitiv. Wer die Freuden des Lockdowns schon nicht mehr wegdenken kann, der hängt das -s an. Wer des Lockdown schon übersatt ist, lässt -s bleiben.)

– also, im IHS hat man ausgerechnet, wieviel ein Schullockdown kostet. Denn nach einer Schulkarriere mit einem Monat Homeschooling ist eine Schülerin (Schüler sowieso, die checken von Haus aus weniger) so viel schlechter ausgebildet, dass sie später pro Jahr 150 Euro weniger verdient, als wenn sie die ganze Zeit Präsenzunterricht genossen hätte (also um etwa zehn Euro pro Monat, zwischen einem Drittel und einem Fünftel der Pensionserhöhung für 2020. Nur so zur Einordnung.)

Daraus errechnet das IHS einen „Verlust von über zwei Milliarden Euro (0,5 Prozent des BIPs) oder mehr pro Schullockdownmonat“.

Das muss man sich mal vorstellen! Also: In Österreich gibt es gut eine Million Schülerinnen und Schüler. Damit sie einen Verlust von zwei Milliarden erleiden, muss jeder von ihnen um 2.000 Euro umfallen.

Und jetzt der coole Teil an dieser ganzen Rechnerei: Wenn wir 2.000 Euro durch die 150 Euro pro Jahr dividieren, zeigt sich, dass die kleinen Faulbären nicht etwa hackeln werden, bis die Schwarte kracht. Sie dürfen es nach knapp vierzehn Berufsjahren gut sein lassen. Denn bei mehr als 14 Jahren müsste auch der Verlust mehr als zwei Milliarden ausmachen.

Ich weiß nicht, wie es euch geht, meine leistungswilligen, doch im Grunde lebensbejahenden Häschen. Aber wenn ich mich entscheiden müsste zwischen zehn Euro mehr pro Monat und zwanzig Jahren weniger Erwerbstätigkeit – mein Grübeln wollte enden.

Das mit den „0,5 Prozent des BIPs“ nehmen wir dafür in Kauf, zumal das BIP jährlich anfällt, sich der Verlust aber, wie eben dargetan, auf vierzehn Jahre verteilt.

Die andere Möglichkeit ist, dass auch das IHS mit, ach nehmen wir mal vierzig, Berufsjahren rechnet. Wenn wir diese mit den 150 Euro Verlust multiplizieren, kommt – richtig! – 6.000 heraus. Dividieren wir die zwei Milliarden durch die 6.000 Euro Verlust, dann zeigt sich: Nur ein Drittel der Schüler erleiden durch den Lockdown Schaden. Fazit: Wie man es auch betrachtet, es ist alles nicht so schlimm. Schönes Wochenende!

Freitag, 6. November 2020

Lehren aus dem Amoklauf

 

Die USA haben ihre Präsidentschaftswahl hinter sich gebracht, und ohne zu wissen, wie es ausgegangen ist, traut sich euer Ergebener jetzt schon zu prophezeien, dass ein Pallawatsch folgen wird. Dafür muss man leider kein Hellseher sein. Aus gegebenem Anlass und weil Herrn Trumps Haare nun einmal aussehen, wie sie aussehen, wenden wir uns dem Frühstück zu, genauer gesagt: dem Orangensaft. Denn auf der Orangensaftpackung steht zu lesen: Das Beste aus 15 Orangen bietet jede Packung ohne selbst Früchte auspressen zu müssen. Abgesehen davon, dass ein Beistrich nach „Packung“ der Sache guttäte, kann man da nur antworten „no na“. Dass die Packung keine Früchte auspressen muss, ist doch hoffentlich klar, wo kämen wir da hin. So ein Tetrapack ist schließlich keine vagina dentata, in die man unschuldige Orangen hineinwirft, auf dass ihr zartes Fleisch von den unerbittlichen Organen der Packung entsaftet werde. So viel dazu.

Weit irritierender ist, was UHBK nach dem Attentat im 1. Bezirk, das vielleicht doch ein Amoklauf war, zu sagen hatte. Irritierend, weil es euren Ergebenen wieder einmal darauf zurückwarf, wie unsicher doch die eigenen Überzeugungen sind. Denn, so Bastlwastl, der Täter sei von Hass auf unsere Grundwerte getrieben worden. Damit mag er recht haben, die Feststellung gemahnt aber an den alten Witz Wer ist wir, Weißbrot? Sind Kurzis Grundwerte brauchbare Häschenwerte? Ich weiß es nicht, aber wer seinen Schallenberg vorschickt, um zu erklären, warum es klug und wichtig ist, Kinder im Dreck liegen zu lassen, der glaubt möglicherweise an Grundwerte, mit denen man weder zum Amokläufer noch zum Lesehäschen taugt.

Es war jedoch, so fair muss man sein, nicht alles schlecht an den Auslassungen des Bundeskanzlers. Innerhalb von Stunden nach der Schießerei stellte er fest, dass die Tat, die er einen „Terroranschlag“ nannte, „sehr professionell vorbereitet“ worden sei.

Dies erklärt nicht nur manches, sondern vieles. Ich will ja nicht mit meiner kriminellen Energie noch mit der meiner Bekanntschaften prunken und auch nicht die Aufmerksamkeit der Terrorismusbekämpfer, soweit sie nicht damit befasst sind, sich von den Wunden zu erholen, die ihnen die Kickl’sche Sicherheitspolitik geschlagen hat, auf uns lenken. Aber wenn die fähigeren Menschen im näheren Umfeld eures Kolumnators ihren Ehrgeiz darein setzen würden, möglichst viele Unschuldige zu töten, dann, darauf wette ich, wäre es mit vier Opfern nicht getan.

Der Kanzler hingegen sieht es als „sehr professionell“ an, wenn ein Täter es zwar schafft, sich illegal ein Sturmgewehr zu beschaffen, dann aber deppert genug ist, in einem normalen Waffenladen Munition dafür kaufen zu wollen. Weil er halt ganz professionell nicht dergooglet hat, dass man auch für Munition ein waffenrechtliches Dokument braucht. Als es ihm dann gelungen war, sich Munition zu beschaffen, hat sich der Täter in den ersten Bezirk begeben, wo er angefangen hat, professionell um sich zu schießen. Dank seiner sorgfältigenVorbereitung hat er dabei neben anderen einen Landsmann und Glaubensgenossen getötet.

Angesichts der Maßstäbe, die der Maturakanzler an Professionalität anlegt, sind alle Zweifel daran beseitigt, warum auch die Pandemiepolitik der Regierung so aussieht, wie sie aussieht. Diese Klärung hat der Amoklauf immerhin gebracht.

Schönes Wochenende!

Freitag, 30. Oktober 2020

Am Punkt

 

In einer Koalition findet zusammen, was zusammengehört, und wenn schon nicht dies, dann zumindest der Pallawatsch, den der Wählerwille sich zusammengemixt hat. Dass dies bei den Wörtern nicht anders sein kann, erkennt man unschwer daran, dass es auch hier österreichische Lösungen gibt.

Die sprachlichen Koalitionen sind besser als Zusammenziehungen, Verschmelzungen oder Kontraktionen bekannt, welch letzteres vielleicht heißen soll, dass die Sprache in den Wehen liegen muss, um ein neues Wörtchen gebären zu können.

Wie muss man sich das vorstellen? Im Prinzip wie bei den Leuten: Wenn sich zwei Wörter ganz, ganz liebhaben, entsteht mit etwas Glück ein drittes. Je nach Hintergrund der Eltern findet dieses Dritte leichter oder schwerer Aufnahme im erlauchten Club des standardsprachlichen Wortschatzes. Bei den Leuten geht so etwas am leichtesten, wenn die Eltern Immatrikulationshintergrund haben, bei den Wörtern, wenn eines eine Präposition, das andere ein Artikel ist. Denn die deutschen Schmelzwörter sind zum, zur, im, ins, am, beim und ähnliche. Aus zu dem wird zum, aus in das wird ins und so weiter. Dank dieser Schmelzwörter kommt man schneller zum Ziel, weil man zum Beispiel nicht erst umständlich an das Meer fahren muss, sondern direkt ans Meer, wo man dann auch schon am Strand liegt. Natürlich liegt es im Ermessen des einzelnen Sprachhäschens, ob es Schmelzwörter nutzt. Wer es aber nicht tut, steht vielleicht bald in dem Ruf, ein bisschen ein Umstandskrämer zu sein. Denn wenn es schon Abkürzungen gibt, dann benutzt man sie halt auch.

Natürlich gibt es Schmelzwörter, die es einstweilen noch nicht in die Standardsprache geschafft haben, aber wenn sie brav Beziehungen knüpfen, kann das noch werden. Hierher gehören zum Beispiel aufs, unterm, durchs und allerlei Dialektcousins und -cousinen wie willsu, hamma, gemma et cetera.

Und was ist mit der österreichischen Lösung? Die findet sich im am. Denn deutsche Deutschspreche finden nichts am Weihnachtsbaum, wenn der gefräßige Nachwuchs mal wieder schneller war. Sie haben am Fenster Blumen stehen, gehen am Abend ins Kino und haben eventuell Butter am Kopf. Österreichische Österreichischsprecher kriegen das auch alles hin. Sie können aber außerdem ihr Auto am Parkplatz abstellen, aber so, dass es mitten darauf steht und nicht daneben. Nutzt aber nix, sie finden dann erst nichts am Markt. Denn in Deutschland hat am zweieinhalb Eltern, nämlich an und dem oder einem. In Österreich hat am einen Zwilling, der ihm zu einem Verwechseln ähnlich sieht und dessen Eltern, den Sprössling von auf und dem oder einem. Deshalb darf man in Österreich auch etwas am Tisch liegen haben, während Deutsche in diesem Fall etwas am Sprachgebrauch ihres Gegenübers finden.

Wer freilich am Nachdenken, Arbeiten oder Schreiben ist, der spricht überall umgangs.

Schönes Wochenende!

Freitag, 23. Oktober 2020

Wie ist mir?


Dass es kompliziert ist, meine lieben und o so aufmerksamen Lesehäschen, haben wir hieramts nicht nur schon des Öfteren konstatieren müssen, wir sind damit auch schon beim Thema.

Manche Themen werden ja, wie Sauerkraut oder Gulasch, beim Aufwärmen noch besser. So hoffentlich auch dieses, denn vom Prädikativ war schon einmal die Rede, wenn es auch, das kann man nicht anders sagen, damals eine Scheißkolumne war.

Was war noch schnell ein Prädikativ? Da gibt es verschiedene. Heute greifen wir wahllos die obligatorischen Prädikative heraus. Denn es gibt bekanntlich Verben, die für sich allein kein vollständiges Prädikat bilden können. Du kannst schmollen, nachdenken, kochen oder unterrichten, und bei alldem genügt sich das Verb als Prädikat selbst. Wenn du hingegen bist, bleibst, nennst oder dich erweist, dann muss zum Verb noch etwas hinzutreten – wobei es bisweilen von der Bedeutung abhängt, ob ein Verb ein Prädikativ braucht. Ein rein existenziell gemeintes sein braucht keines. Ansonsten musst du schon dazusagen, ob du angefressen, gesund oder im Rückstand bist. Wenn alle anderen gehen, du aber noch bleibst (also: deinen Ort nicht veränderst) ist das vollrohr in Ordnung. Wenn es aber um deine Verfassung geht, verrate uns, ob du jung, Jungfrau oder verfressen bleibst.

Verben, die ein Prädikativ gastfreundlich im Satz aufnehmen, nennt man auch (Bildungsauftrag!) Kopulaverben (hihi). Dazu gehören neben den schon erwähnten auch Wörter wie scheinen, dünken, klingen, gelten und ähnliche. So weit, so geil.

Nun erlebt man aber noch allerlei anderes. Vielleicht hat ein fleißiges Häschen schon einmal Holz klein gehackt, seinen Teller leer gegessen (damit das Wetter schön wird), sich glatt rasiert oder sich ein anderes Häschen schön getrunken. Sind das vielleicht auch Prädikative?

Nein, nein und nochmals nein, empört sich da der i-Tüpferl-Puderant in residence. Denn nach einem ordentlichen, rotbackigen Prädikativ kann man auch ordentlich fragen. Wie bist du, wie bleibst du, wie scheint es dir, wie nennst du dich? Das geht wunderbar. Doch bei solchen dahergelaufenen Möchtegerns, die sich das Prädikativmäntelchen umhängen wie der Trump den Mund-Nasen-Schutz, funktioniert das nicht. Wie habe ich den Teller gegessen? – Leer. Das ist offensichtlich Blödsinn, weil wie eine Eigenschaft erfragt (die auch die Eigenschaft eines Vorgangs sein kann!), leer essen hingegen einen Vorgang umschreibt.

Man erkennt daran, dass auch in der Orthographie nichts Besseres nachkommt. Einst nämlich hat man sich ein Häschen niemals schön getrunken, sondern stets schöngetrunken, die Politik nicht schlecht geredet, sondern schlechtgeredet und einem Qanon-Gläubigen die Ohren nicht lang gezogen, sondern langgezogen. Denn welche Wortart haben wir zur Hand, wenn wir sagen wollen, dass etwas geschieht? Genau, das gute alte Verb. Deshalb machte die Rechtschreibung einst aus einem Verb, das mit Hilfe eines Adjektives einen ganz bestimmten Vorgang beschrieb, ein neues Verb, sodass die Schnecken, die ganz viel zu fressen pflegten, den Garten kahlfraßen.

Im aktuellen Duden darf man beides. Man kann langziehen oder lang ziehen (was etwas anderes ist), man darf leeressen oder leer essen (was etwas anderes wäre, wenn es möglich wäre) und so weiter. Natürlich „empfiehlt“ der Duden jeweils die Getrenntschreibung, weil sie zwar doofer, aber einfacher ist. Nur bei einem solchen Wort kennt er keinen Pardon. Deshalb Frage an die Redaktion: Warum darf man etwas ruhig klein hacken, muss es aber jedenfalls kleinschreiben? Na, Duden, Oida, was ist da los?

Schönes Wochenende!



Freitag, 16. Oktober 2020

Flexion

 

Da haben wir’s, meine lieben Lesehäschen. Der Herr Bürgermeister kann sich nicht entscheiden, ob er lieber mit den Grünen oder mit den Pinken in die Zukunft steuern will, oder vielleicht hat er sich schon entschieden, will aber damit nicht herausrücken.

Er hat jedenfalls angekündigt, dass eine Entscheidung kommen müssen wird. Oder muss sie eher kommen werden? Denn wie es in der Politik ist, so ist es bisweilen auch in der Grammatik. Das sozialdemokratisch eingesessene „kommen“ kann sicherlich mit „müssen“ eine Koalition der Infinitive eingehen, während „wird“ in der finiten Form konstruktive Oppositionsarbeit leistet, eh klar, wie das in der Opposition halt so Brauch ist.

Halt, stopp! Was hat es nochmal mit den finiten Verbformen im Gegensatz zum Infinitiv auf sich? Da darf man ruhig den Lateiner raushängen lassen: Finite Verbformen sind solche, die sich festgelegt haben, zu welcher Person, zu welcher Zahl, welcher Zeit, welchem Genus (Aktiv oder Passiv) und welchem Modus (Indikativ, Konjunktiv oder gar Imperativ – das sind die Verben, die es etwas strenger mögen) sie sich hingezogen fühlen. Man sagt auch, das Verb wird flektiert (gebeugt), indem es sich den Anforderungen des Satzes anpasst und also die Aufgabe übernimmt, Dinge auszudrücken, die über seine unmittelbare Bedeutung hinausgehen. So ist fühlte etwa Singular Imperfekt Indikativ und entweder erste oder dritte Person, denn so ganz allein sieht man ihm nicht an, ob ich fühlte, er oder sie.

Im Tausch gegen diese existenzielle Gewissheit nehmen die finiten Verbformen in Kauf, dass ihnen Grenzen gezogen sind (lateinisch fines), weil eben fühlte niemals Plural sein kann.

Der Infinitiv seinerseits darf von Blüte zu Blüte flattern, wie es seinem Namen eingeschrieben ist. Denn das „In“ des Infinitivs ist dasselbe wie von „indiskutabel“ oder „indisponiert“: Es sagt uns, dass der Infinitiv keine Grenzen anerkennt. Ein kleiner grammatischer Anarchist tut hier, was er will.

Weil es aber nicht ohne klare Positionen geht, braucht es die finiten Verbformen. Und manchmal hat man, wie der Wiener Bürgermeister, die Wahl. Womit wir bei der Frage sind, ob etwas geschehen werden muss oder geschehen müssen wird.

Des zur Klärung überlege man, womit man es zu tun hat. Nämlich mit einem sogenannten Vollverb (geschehen), einem Hilfs- oder Auxiliarverb (werden) und einem Modalverb (müssen). Die entsprechende Regel lautet einfach: Wenn Hilfs- und Modalverb gemeinsam auftreten, dann nimmt das Hilfsverb die finite Form an. Es wird also etwas geschehen müssen. Weil nämlich das Hilfsverb sonst eh nichts zu tun hat. Es dient werden ja eben dazu, die Zeitform (das Futur) zu definieren und kann dann gleich auch Zahl, Person und so weiter mit ausdrücken, wo es schon dabei ist. Das Modalverb müssen darf sich hingegen ganz der Aufgabe widmen, zu verdeutlichen, dass eine Verpflichtung oder Unausweichlichkeit besteht.

Oida, entringt es sich da einem emotional weniger gefestigten Lesehäschen, und was ist mit „gesagt werden muss?“.

Hier wird ja das Modalverb flektiert, während das Hilfsverb sich im zwanglosen Infinitivnegligé herumfläzt, und das am hellichten Tag. In Wahrheit ist die Regel also eine Runde komplizierter:

Wenn Hilfs- und Modalverb gemeinsam auftreten, dann wird im Aktiv das Hilfsverb flektiert, im Passiv das Modalverb. Im Passiv ist werden nämlich zur Gänze mit dem Passivausdruck ausgelastet, sodass es sich sogar einen Kumpel zu Hilfe holen muss, um Passiv Futur auszudrücken: In Wien wird eine Entscheidung getroffen werden müssen. Hier haben wir ein werden für das Passiv und zusätzlich noch ein wird für das Futur. Dass die Entscheidung, wen man beugen soll, nicht immer leicht fällt, davon kann Michael Ludwig gewiss ein Lied singen.

Schönes Wochenende!

Freitag, 9. Oktober 2020

Reimtest

 

Der Wiener Wahlkampf, das können wir, o vielgeliebte Lesehäschen, frei nach Josef Hader festhalten, warat jetzt do. (Für kabarettistisch Unterversorgte: In Hader muss weg lässt sich ebendieser gründlich darüber aus, wie idiotisch der Satz I warat jetzt do ist, indem er konjunktivisch in der Schwebe zu lassen versucht, was offensichtlich der Fall ist, und dieses Offensichtliche auch noch ausspricht.)

Im Falle des Wahlkampfs hat der Konjunktiv seine Berechtigung, weil bei Besichtigung der Plakatbotschaften Zweifel keimen, ob der Wahlkampf tatsächlich der Fall ist. Denn wie einst hieramts festgehalten:Man merkt den Wahlkampf an der doofen Formulierung „Stopp dem“. Selbst Dominik Nepp hat die Chance vergeigt, mit diesem Klassiker bei der verlässlich ansehnlichen Zielgruppe der Grammatikschwachen jeden Alters zu punkten. Womit wir beim Thema sind, das uns ja alle beschäftigt, nämlich: ob Dominik Nepp unsere Stimmen verdient. Da man sich auf Wahlversprechen bekanntlich nicht verlassen kann, schicken wir die FPÖ in den Reimtest für Unentschlossene. Als Prüfstein der Wählbarkeit diene uns der Klassiker unter Nepps Wahlplakaten. Kann es im Vergleich zu den Großtaten der Partei aus Zeiten, als sie noch groß war, überzeugen?

Das fragliche Werk zeigt links leider verhüllte Frauen mit der Beischrift Wiener Islam, rechts einen leider unverhüllten Nepp. Dieser deutet in die ungefähre Richtung des Stephansdoms. Mit der Bildmontage wurde offenbar der Billigstbieter beauftragt. Anscheinend weist Nepp gar nicht zum Dom hin, sondern auf etwas, das weiter weg, aber leider nicht mehr zu sehen ist, etwa seinen Heimatplaneten.

Diese Vermutung bestärkt die Headline, denn dort, wo Nepp hinzeigt, sei Unser Daham. Dass er den Stephansdom meint, ist unwahrscheinlich, weil fast zwei Drittel der Wiener Einwohnerschaft nicht katholisch sind und die katholische Kirche in Wien einen jährlichen Schwund von etwa 1,7 % zu verzeichnen hat.

Doch genug der Spekulation über Nepps wahre Abkunft. Connaisseure der politischen Lyrik erkennen hier natürlich ein Kickl-Zitat, von dem die Steilvorlage Daham statt Islam ja stammt.

Wie schlägt sich die Nepp-Line im Vergleich?

Im Reimabgang bleibt der männliche Reim (Achtung, Bildungsauftrag: Ein männlicher Reim endet mit der betonten Silbe. Ein weiblicher Reim hat zwei reimende Endsilben, von denen die vorletzte betont ist.) erhalten, weil es ja um den Islaaaam geht. In puncto Versmaß schlägt sich Nepp auf den ersten Blick tapfer, indem er zwei viersilbige Verse bringt, in denen jeweils die erste und vierte Silbe betont ist. Geht sich sauber aus, gibt’s nix zu meckern.

Kickl ließ da fünfe gerade sein. Denn bei ihm hat der erste Vers zwei Silben, der zweite aber drei. Ein handwerklicher Schnitzer? Mitnichten. Hier zeigt sich, wer dichtet und wer bloß reimt. Wo Nepp hofft, dass braves Abzählen genügt, um etwas Brauchbares zu erzeugen (wie man ja auch nicht ohne Meterstab auskommt, wenn man sich einen Kasten bauen will), weiß Kick um den Unterschied zwischen selbstgezimmerten Kellerregalen und selbstgeschmiedeten Reimen: Im letzteren Fall gewinnt, wer wagt. Gerade die zusätzliche Silbe im zweiten Vers gibt dem (unappetitlichen) Gedanken Zeit und Raum, Anlauf zu nehmen und mit Schwung die Distanz ins Hirn des potenziellen Wählers überspringen.

Wo Kickl ästhetisch-poetisch übermächtigte, konstatiert Nepp bloß. Er hat zwar mitbekommen, dass die FPÖ irgendwie das Ausländerthema bespielen sollte, scheitert aber an der Aufgabe, sich darauf einen Reim zu machen, was angesichts seines Nachnamens nur umsomehr verwundern kann.

Schönen Wahlsonntag!

Freitag, 2. Oktober 2020

Kleiner Unterschied

 

Es gibt, o kompetente Lesehäschen, immer was Neues. Also: Immer was Neues, worum man sich kümmern sollte. Zum Beispiel soll es vorkommen, dass der Häschennachwuchs in der Häschenschule in eine WhatsApp-Gruppe gerät, in welche die Jungrammler Dreckszeug hineinposten, das man so oder so interpretieren kann. Vielleicht ist der humoristische Mehrwert von Scherzen, die unter das Verbotsgesetz fallen, tatsächlich immens. Vielleicht ist es auch ein jugendliches Experiment, bei dem eruiert werden soll, wieviel Scheiß man bauen muss, bis Erwachsene sich wie Erwachsene verhalten.

So oder so steht besagter Erwachsener vor der Frage, wie man das eigene Häschen angemessen unterstützt, ohne ihm ungebührlich auf die Nerven zu gehen, was ja im Umgang mit Teenagern stets das ist, was dem Trekkie die Hauptdirektive (die es verbietet, sich in die Entwicklung anderer Spezies einzumischen, womit sich zeigt, dass wir Science-Fiction-Nerds mehr über Kinderaufzucht gelernt haben, als man glauben möchte, auch wenn böse Zungen behaupten, dass der Erwerb ebendieser Kompetenzen unsere Chancen mindere, sie jemals anwenden zu können).

Dies auch vor dem Hintergrund der aktuellen Lektüre eures Ergebenen, nämlich The Girls von Emma Cline. Keine Ahnung, ob die Frau das Niveau hält, aber das Ding fängt auf jeden Fall großartig an. Nämlich berichtet die Ich-Erzählerin von einer Mädchenkindheit in einer faden kalifornischen Gegend der 1960er-Jahre, in der sie gewaltig viel Zeit damit verbringt, Schönheits-, Pflege- und Stylingtipps aus Zeitschriften umzusetzen. Später gerät sie auf der sogenannten Ranch in sehr schlechte Gesellschaft, und wir lesen die wunderbaren Sätze:

I wondered later why there were so many more women than men on the ranch. All that time I had spent readying myself, the articles that taught me life was really just a waiting room until someone noticed you – the boys had spent that time becoming themselves.

Hand aufs Herz, wer sicher ist, dass wir, nämlich wir Gesellschaft im ausgehenden ersten Viertel des einundzwanzigstens Jahrhunderts, dass wir also diesen Unterschied im Heranwachsen der Geschlechter völlig hinter uns gelassen haben. Liegt es an eurem Ergebenen, oder sind wir immer noch eher geneigt, Buben ein Freispiel zuzugestehen, weil es halt ein blödes Alter ist, während Mädchen aber schon echt komisch sind und sich auch einmal zusammmennehmen könnten? Ich hoffe, ich täusche mich. Aber ich habe wirklich den Verdacht, dass wir eher Mädchen eher zumuten, jederzeit Person zu sein, während wir es Buben zugestehen, sich zwischendurch eine Runde höchst unansehnlich zu verpuppen, in der Hoffnung, dass irgendwann ein stattlicher Käfer schlüpfen wird.

Die Schwierigkeit liegt natürlich darin, dass man durchs Deppertsein schon in jungen Jahren (und in Alter-weißer-Mann-Jahren sowieso) Prestige ansammelt, sodass Buben, die konsequenzfrei Blödsinn machen, schon dadurch einen Schritt voraus sind.

Was also tun, ohne aufs Kontraproduktivste in jugendliche Sozialdynamik hineinzufunken? Euer Kolumnator dankt für sachdienliche Hinweise.

Zum Beweis, dass es auch Gelegenheiten gibt, wo man ruhig fünfe gerade sein lassen kann, diene der heutige Wikipedia-Fund: Als der Doo-Wop-Song Rama Lama Ding Dong 1958 veröffentlicht wurde, geschah dies irrtümlich unter dem Titel Lama Rama Ding Dong, was vielleicht der Grund für das einstweilige Ausbleiben des Erfolgs, vielleicht aber auch völlig wurscht war. Schönes Wochenende!

Freitag, 25. September 2020

Entschuldigung

 

Dass alles nicht so einfach ist, meine lieben Lesehäschen, ist ja nichts Neues, und dass gerade FPÖler und solche, die es nur noch gewesen sein wollen, mit der deutschen Sprache bisweilen Schwierigkeiten haben, ebensowenig. Dass wiederum Herr Blümel und Herr Nepp ein und denselben rhetorischen Trick bemühen, wird auch niemanden wundern: Der eine will Wien „wieder“ nach vorne bringen, der andere will Wien „zurückholen“, wobei natürlich weder der eine erklärt, inwiefern Wien hinten noch der andere, inwiefern es weg ist. Auf diesem Schmähniveau könnte man beide fragen, ob sie aufgehört haben, sich vor dem Frühstück schon Obstler zu stessen, worauf es ja auch nur richtige Antworten gibt! Immerhin sind die beiden auf Volksschulniveau sprachlich firm, während H.C. Strache gelegentlich ins Straucheln (also: Stracheln) kommt. Kürzlich sonderte er in einem Interview einen schönen Satz ab, den sich aber wirklich jeder von uns hinter die Häschenlöffel schreiben sollte, nämlich:

Man muss sich selbst verzeihen können.

Das zeugt von erfreulicher Fähigkeit zum Mitdenken. Denn wenn Strache sich nicht zuerst selbst verzeiht, wer soll ihm dann darin nachfolgen? Strache setzt anscheinend darauf, dass ihm die Leute schon verzeihen werden, wenn er nur selbst mit gutem Beispiel vorangeht und auch einmal fünfe gerade sein lässt, nachdem sein alter Haberer Heinz-Christian in der Fettn einmal einen Blödsinn gemacht hat.

Allerdings zeigte sich, dass der Journalist für seine Überschrift das Strache-Original unzulässig berichtigt hatte. Tatsächlich hatte Strache nämlich geäußert: Man muss sich selbst für Fehler verzeihen können. Wer Augen hat zu lesen, der lese – er wird in diesem scheinbar so schlichten Ratschlag jene tiefe Verunsicherung finden, die gemeinhin mit Zukunftsangst und/oder Drogenentzug in Verbindung gebracht wird. Denn man verzeiht sich (oder einander) ja nicht für einen Fehler, ebensowenig wie man sich von der Partei für die Miete der Villa in dort-wo-man-eh-nicht-wohnt-weil-man-sonst-in-Wien-nicht-zur-Wahl-antreten-darf zahlen lässt. Man lässt sich die Miete zahlen, man verzeiht sich den Fehler, und basta.

Dass Strache hier ein für hineingerutscht ist wie eine Oligarchin in eine ibizenkische (ja, echt!) Finca oder wie ihm dort so manches herausgerutscht ist, ist ein Zeichen dafür, dass er etwas vergessen hat. Nämlich, sich für das zu entschuldigen, was er der besagten Oligarchin in der besagten Finca so alles anvertraut hat und was mit „Ausverkauf der Republik“ bestens zusammengefasst ist.

O Hazeh, gehe in dich und höre! Ganz, ganz oft, lieber Hazeh, wird jemandem erst verziehen, nachdem er um diese Verzeihung gebeten hat. Beziehungsweise: Man muss sich selbst für Fehler entschuldigen, weil das nämlich niemand anderer tun wird, schon gar nicht der Gudenus.

Vielleicht fängst du damit an und wir schauen dann, ob es funktioniert.

Schönes Wochenende!