Freitag, 22. Dezember 2023

Immerhin

 

 

Das Jahr war wieder einmal durchwachsen

und das ist noch ordentlich untertrieben.

Deshalb ist hier nicht der Ort für Faxen,

die Schmähs sind heuer meist ausgeblieben.

 

Wohin man schaut, ist viel Luft nach oben.

Zähl es dir auf, du weißt schon was ich meine.

Von "lasset uns alle den Sobotka loben"

bis Gaza, Klima, noch immer Ukraine.

 

Wer fragt, was er heuer denn schenken soll,

dem kann ich nur sagen: "Schenk uns beiden voll."

Denn wenigstens darauf bleibt weiter Verlass:

Heiligabend geht bestens mit vollem Glas.

Freitag, 15. Dezember 2023

Kreuchen & Fleuchen

 

Es ist oft anders, o flexible Lesehäschen, als man glaubt. Zum Beispiel hättest du dir als Normalverbraucher vor zwei, drei Jahren nicht träumen lassen, dass die KI in deinem Leben jetzt schon eine Rolle spielen könnte. Oder du hast dir fest vorgenommen, niemals wieder ein Haustier mit Wirbelsäule in deine Umgebung zu lassen, weil mit einer Wirbelsäule immer auch ein Knuddligkeitsfaktor einhergeht, der bei Sensibelchen wie eurem Ergebenen übertriebene emotionale Einlassungen provoziert. Man hat dann einfach zu viel Mitleid mit den Viechern. Dass Käfer eine erfreuliche Alternative für alle darstellen, die ihre Wohnung gern mit anderen Wesen teilen, ist für treue Lesehäschen nichts Neues. Der ZEIT war kürzlich zu entnehmen, dass Ameisen derzeit voll angesagt sind. Zu ihren Reizen, so der Autor, zähle es, dass sie mit einfachsten kognitiven Mitteln alles zusammenbringen, was der Mensch auch so schafft, von Sammeln über Jagen und Ernten bis zur Sklavenhalterei.

Die letzteren sind körperlich so spezialisiert, dass sie ohne Sklaven nicht mehr überleben können. Ich weiß nicht, wie es euch geht, aber ich käme mir ein bisschen seltsam dabei vor, mir ein Ameisenvolk anzuschaffen, damit es von dem anderen versklavt werde. Dann lieber gleich eine Katze, denn da ist der nötige Lakai schon vorhanden, weil es sonst niemanden gäbe, der die Katze ins Haus holt.

Dann merkt man allerdings: Die Zeiten haben sich geändert. Während es für kleine Gen-Xer ganz normal war, ihre Eltern wochen- und monatelang anzujammern, dass man so gern eine Katze/einen Wellensittich/ein Meerschweinchen hätte, sind Gen-Zer sich der Bedürfnisse anderer Spezies eher bewusst: Man holt sich keine Katze mehr. Man holt zwei Katzen. Man holt auch zwei Kaninchen, zwei Meerschweinchen, um Himmelswillen mindestens zwei Papageien und auch zwei Pferde, es sei denn, man gönnt seinem Einzelpferdekind eine Gesellschaftsziege. Ob die Ziege sich mit dem Pferd langweilt, bleibt ungeklärt. Interessant bleibt die Frage, ob speziesübergreifende Gesellschaft etwa auch für eine Katze (Maus?) machbar wäre. Hamster können sehr gut allein bleiben. Allerdings sollten sie es auch, weil sie die ganze Nacht in ihrem Käfig herumfuhrwerken und dich tagsüber ungehalten beißen, wenn du was von ihnen willst. Wenigstens leben sie nicht lang.

Bei der Befassung mit Gen-Zer-Wünschen stolpert man auch über allerlei Internettipps zur Wahl des richtigen Haustiers. Bald stellt man fest, dass der Kampf gegen die Maschinen bereits begonnen hat. Nur stehen wir den Robotern nicht mit Laserwaffen auf einem postapokalyptischen Schlachtfeld gegenüber. Vielmehr zermürbt uns die KI, indem sie uns Hausgenossen unterjubelt, die weniger dazu geeignet sind, unseren Alltag mit ihrer flauschigen Anwesenheit zu bereichern, als darauf, uns binnen Wochen in den Wahnsinn zu treiben. Dass hier Meerschweinchen als super cuddly angepriesen werden, obwohl ihre Bereitschaft, sich streicheln zu lassen, als todesängstliche Schreckstarre treffender beschrieben wäre, ist da noch eine der harmloseren Fallen. Doch wie kommt man ernstlich auf die Idee, sein Heim mit nicht etwa einem, sondern mindestens zwei sugar gliders teilen zu wollen? Wer noch nicht in die Verlegenheit gekommen ist: Der auf Deutsch so genannte Kurzkopfgleitbeutler sieht allerdings extrem niedlich aus. Das war’s aber auch schon: Die Viecher brauchen viel, viel mehr Platz, als man unterhalb der Oligarchenklasse bieten kann („glider“ ist nicht nur so dahingesagt). Sie markieren außerdem ihr Revier mit einem übelriechenden Sekret und sind, das überrascht jetzt keinen mehr, nachtaktiv. Angesichts dieser Schwierigkeiten überlegt das Zweckdichterbalg nun die Anschaffung eines love interest, weil das auch kuschlig ist, aber daheim gefüttert wird und allein zum Arzt gehen kann. Ach ja, die Zweckdichterschwiemu hat wieder einen Hund.

Schönes Wochenende!

Freitag, 1. Dezember 2023

Zeit ist Geld

 

Der Router, o technikverliebte Lesehäschen, ist die Superyacht des kleinen Mannes. Oder, damit wir fair bleiben, nicht der Router, sondern jener Router, den du als Repeater (quasi Datenmätresse) einsetzt, weil du ja schon einen Hauptrouter zur Rechten hast, der dich, wann immer du es begehrst, mit drahtloser Bandbreite versorgt, während du die unsterbliche Nummer The Internet is for Porn aus Avenue Q summst, welches Musical vor einer Weile auch in Wien aufgeführt wurde, aber leider auf Deutsch. Ich habe das Gefühl Das Internet ist für Schweinkram fetzt nicht ganz so hart rein.

Wo waren wir? Genau. Du besitzt also einen Router der weitbeschreiten Marke Fritz.Box, der über einen einzigen LAN-Anschluss verfügt. Einerseits brauchst du nämlich einen Router, der einen SIM-Karten-Steckplatz hat, und da sind die mit mehreren LAN-Anschlüssen rar und teuer. Andererseits brauchst du aber LAN-Anschlüsse, weil deine Heizung sonst nicht gehorcht und dein Drucker auf deine Druckwünsche pfeift.

Die Lösung ist ein Repeater mit LAN-Anschlüssen. Nun stellst du fest, dass Fritzboxen Herdentiere sind, indem sie sich mit anderen Fritzboxen gut vertragen, nicht aber mit beispielsweise einem Netgearteil. Ein Fritzboxrouter lässt sich daher plugandplay als Repeater einrichten, wenn du schon einen Fritzboxrouter dein eigen nennst. Das ist eine höchst erfreuliche Nachricht, weil die eigentlichen Fritzboxrepeater sehr teuer sind, während man gebrauchte Fritzboxrouter auf willhaben für ’n Appel und ’n Ei kriegt, wie man so sagt, wenn auch selten in Österreich.

Du machst also eine Radtour, weil du wieder einmal auf die Postleitzahl 1100 hereingefallen bist und dir gedacht hast, dass 1100 ja an 1040 grenzt, nicht bedenkend, dass es zum Beispiel von Miami nach Vancouver ein ganz schön breiter Weg ist, obgleich auch die USA an Kanada grenzen. Favoriten, das merke sich ein jeder, ist groß.

Nun hast du deine Fritzbox heimgetragen, schließt sie an und drückst die entsprechenden Knöpfe, um deinen Router und die Datenmätresse über ihre neuen Positionen zu belehren. Dies kümmert beide einen Dreck.

(Die folgenden vier Stunden inklusive Anrufs bei der wieder einmal nutzlosen Fritzboxhotline sowie Hilferufpostings in einem einschlägigen Forum dürft ihr euch selber ausmalen. Nur so viel: Plug & Play hat oft erstaunlich spezifische Wünsche, wie zum Beispiel „Betriebssystem Version 7 oder neuer“. Aber jetzt funktioniert es, danke der Nachfrage. Und wenn der Menüpunkt, von dem die Hilfreichen im Internet dir erklären, dass du ihn anklicken sollst, bei dir nicht existiert, liegt es eventuell daran, dass – die Wege des Herstellers sind unerforschlich – du möglicherweise auf ein gut verstecktes Icon klicken musst, um die „Expertenansicht“ freizuschalten, weil du dich erst mit der Auffindung dieser Option als Experte qualifizierst.)

Wie also eine Superyacht eine höchst effiziente Maschine zur Vernichtung von Kontostand ist, so ist ein Repeater eine nicht minder effiziente Maschine zur Vernichtung von Freizeit. Und wer vor niemandem damit protzen kann, dass er das Hafenbecken von Monaco blockiert hat, kann immer noch damit angeben, dass er seinen freien Nachmittag mit der Herstellung von Onlinekapazität verjuxt hat.

Schönes Wochenende!

Freitag, 24. November 2023

Herren in Strapsen

 

Hat jemand, o stets gepflegt auftretende Lesehäschen, meine Sockenhalter gesehen?

Natürlich nicht. Nicht einmal ich selbst habe meine Sockenhalter schon einmal gesehen, weil nämlich die elastanhaltige und somit selbsthaltende Socke schon zur Zeit meiner Geburt erfunden war. Einst aber trug der Herr von Welt ums Knie oder die Hüfte eine Art Strumpfbandgürtel, um seine Socken mit Bändern daran zu befestigen, die andernfalls eine Wollwurst um seine Knöchel gebildet hätten. Kein Mann ohne Strapse, sozusagen.

Heute ist der Sockenhalter gänzlich abgekommen. An der Sneakersocke wäre er nutzlos, weil diese ja keinen Schaft besitzt, der absacken könnte. Stattdessen zeigt man oberhalb des Sneakers Knöchel, und zwar auch als Dame, ein Anblick, nach dem der durchschnittliche Sockenhalterträger sich mal eben ein kaltes Sitzbad gegönnt hätte.

Es ist also kein Wunder, dass in den Läden keine Sockenhalter mehr zu finden sind. Irgendwann hat es wohl eine Übergangszeit gegeben, in der sich Leute alt fühlten, weil sie sich noch an die gute alte Sockenhalterzeit erinnern konnten.

Heute geschieht dies eurem Ergebenen, nur nicht mit Sockenhaltern, sondern mit Schuhcreme. Denn galt lange Zeit das Butterschmalz als das Produkt mit dem höchsten Durchschnittskaufalter, so ist es nun offenbar das Schuhpflegeprodukt. Seit euer Ergebener in einer Runde von mindestens zehn Personen der Einzige ohne Sneakers war, ist auch klar, woran das liegt: Es trägt niemand mehr Schuhe, die man putzen müsste oder auch nur vernünftig putzen könnte. Wer es sich leisten kann, greift vielmehr zu Golden Goose, welche Marke keineswegs glänzt, aber umsomehr auffällt, weil die Schuhe schon zart vorbeschmuddelt sind, was mit Preisen ab 550 Euro (der Name ist Programm) nicht teuer bezahlt ist, wenn man bedenkt, wieviel Putzarbeit man sich erspart. Der Einzelhandel trägt dem Rechnung. Einst gab es im Drogeriemarkt ein Schuhpflegeregal. Dort fand man klassische Schuhcreme, Sofortglanz mit Applikator für die Faulen, Imprägnierspray, Nubukzeugs, Bürsten und so weiter und so fort. Man trug das Gewünschte nach Hause und widmete sich dem Schuhwerk, auf dass es wieder durch Schönheit erfreue.

Heute gibt es an der entsprechenden Stelle ungefähr vierzig Regalzentimeter. Darauf befindet sich Sofortglanz von zwei verschiedenen Marken in den Geschmacksrichtungen braun, schwarz und farblos. Aus. Erst kürzlich fragte sich euer Zweckdichter, wie es kapitalistisch möglich ist, dass im dritten Bezirk immer noch ein Spezialgeschäft für Schuhzubehör existiert. Ja, wirklich: Man bekommt dort keine Schuhe, sondern Cremes, Lotionen, Tüchlein, Schuhspanner und so fort. Wovon der Laden lebt, ist nun klar: Es dauert noch eine Weile, bis alle weggestorben sind, die Schuhe außer Sneakers ihr eigen nennen und diese zumindest hin und wieder putzen.

Fraglich bleibt erstens, wie die Sache heutzutage beim Bundesheer gehandhabt wird. Früher war dort ausschließlich klassische schwarze Schuhcreme in der Blechdose zulässig (nicht die, die in amerikanischen Soldatenfilmen gern vor dem Auftragen zwecks Erweichung kurz in Brand gesetzt wird, aber so ähnlich). Tipp: Glänzen am besten mit einem Nylonstrumpf, geht in Nullkommanix.

Und zweitens, was die Drogeriemärkte in die frei gewordenen Regalmeter gestellt haben. Wahrscheinlich Barfußsneakerpuder, denn auch die Sneakersocke wird nicht ewig währen. Schönes Wochenende!

Freitag, 17. November 2023

Endlich vereint

 

Es ist, o mit Recht enttäuschte Lesehäschen, auch dies zum Kotzen: Was hat eigentlich Greta Thunberg geritten? Weiß man das, irgendwie? Dass viele Aufgeweckte sich schwer damit tun, Israels Existenzrecht anzuerkennen, ist ja leider nichts Neues. Noch auch, dass sie deshalb gern mit Wörtern wie „Kolonialmacht“ oder „Apartheid“ um sich werfen, die nichts belegen als ihre mangelnde Vertrautheit mit der handelsüblichen Bedeutung dieser Begriffe. (Merke: Wenn Angehörige einer bestimmten Ethnie in einem bestimmten Staat, der von einer anderen Ethnie regiert wird, mehr demokratische Rechte haben als in den umliegenden Staaten, die von ihrer eigenen Ethnie regiert werden, wie das bei den arabischstämmigen Israelis der Fall ist und bei den Schwarzen in Südafrika aber sowas von nicht der Fall war, dann ist Apartheid nicht das Wort, das du suchst.)

Noch ist es etwas Neues, dass die Linke sich mit Leuten auf ein Packl haut, die Juden gern tot sehen. Schon die RAF hat sich ja von palästinensischen Terroristen erklären lassen, wie man Leute in die Luft sprengt. Angesichts der Hamas haben nun auch Denkerinnen auf Wettkampfniveau wie Judith Butler gemerkt, dass sie sich in den letzten Jahren irgendwie blöd in die Ecke geschrieben haben. Einerseits ist offensichtlich, dass die Hamas eine Terrororganisation ist, für die die ärgsten Greuel eine Riesengaudi sind. Andererseits will man anscheinend nicht zugeben, dass man ideologisch aufs falsche Pferd gesetzt hat. Nun wissen die klügsten Köpfe nicht mehr, was sie eigentlich sagen sollen. Von der ZEIT nach ihrer Bewertung des Terrorangriffs der Hamas und der israelischen Reaktion darauf befragt, behauptet Butler wortreich, gefragt worden zu sein, wer die Schuld trage, und weist „bei allem Respekt“ darauf hin, dass man „alle Schäden und alle Akteure benennen“ müsse. Anscheinend hat Butler ein Rhetorikseminar bei Herbert Kickl gemacht, um endlich zu lernen, wie man nicht auf die Frage antwortet, vielleicht ergänzt durch ein Sparring mit Arming Wolf.

Und weil wir schon bei „allen Schäden und allen Akteuren sind“ und weil euer Ergebener eben kein Politiker ist, deshalb einfach mal hingerotzt: Wenn Ägypten, Jordanien und Syrien Israel nicht angegriffen hätten, dann hätte Israel den Gazastreifen im Sechstagekrieg nicht besetzt. Falls jemand unter all jenen, die den Hamas-Terror „im Kontext“ betrachtet wissen wollen und für die dieser Kontext typischerweise immer erst nach der Shoah anfängt, hier mitliest, kann er mir vielleicht erklären, warum gerade dieser Kontext nicht erheblich ist.

Aber das nur nebenbei.

Mir scheint, wenn die internationale Top-Philosophie auf dem Interviewniveau der österreichischen Innenpolitik angelangt ist, ist es Zeit für eine kleine Erholungsphase. Selbst dann, wenn sich dabei nur der Eindruck weiter verfestigt, die größte Stärke von Judith Butler sei es, den Schmäh am Dekonstruktivismus nicht verstanden zu haben.

Angesichts solcher Fehltritte darf man sich nicht wundern, wenn auch Greta Thunberg einen Schmarrn daherredet (die Witzchen über Schulstreik und so darf bitte jeder selber ergänzen). Traurig ist es aber schon, dass Murphys Gesetz selbst hier so hart reinhaut. Es gäbe so harmlose Berührungspunkte zwischen Greta und Elon Musk – die alternativen Energien, die Überzeugung, etwas bewegen zu können und zu müssen, und so weiter und so fort. Aber wo sind sie sich einig? Beim Antisemitismus. Na bravo.

Ich wünsche euch ein den Umständen entsprechendes Wochenende.

Freitag, 10. November 2023

Reisen bildet

Man muss sich, o schwer geprüfte Lesehäschen, auch über die kleinen Dinge freuen. Zum Beispiel gab es unter den Facebook-Freunden eures Ergebenen nur eine einzige Person, die nach dem 7. Oktober begonnen hat, antisemitischen Dreck zu teilen. Das ist kein schlechter Schnitt, meine Lieben! Facebook wird es freilich nicht heilen. Angesichts dessen, was der Algorithmus für Werbebotschaften hält, die für mich relevant sein könnten, können wir alle noch ein bisschen trainieren, ehe es mit dem Kampf gegen die Maschinen so richtig losgeht.

Apropos: Texas ist eine Reise wert. Einzige Enttäuschung: Texas ist zwar wie die meisten Bundesstaaten ein open carry state, sodass man nur für das versteckte Tragen einer Schusswaffe eine Genehmigung braucht, die auch nicht sonderlich schwer zu bekommen ist. Trotzdem läuft niemand (außer natürlich Polizisten) mit einem Revolver am Gürtel herum. Ansonsten ist es aber so, wie man es sich vorstellt, nur mit besserem Essen. Allen, die der österreichischen Tradition anhängen, an warmen Samstagnachmittagen Fleisch in Kohle zu verwandeln und sich anschließend einzureden, man habe gerade Essen zubereitet, sei ein Besuch im texanischen Barbecue ans Herz gelegt, wo sogar Pute als saftig-zarte Köstlichkeit serviert wird. Eine weitere österreichische Tradition, die man in Texas vergeblich sucht und die keineswegs auf den Osten des Landes beschränkt ist, ist das Sudern, auch bekannt als Motschkern, Raunzen, Jammern und so weiter. Sympathisch ist auch die Selbstverständlichkeit, mit welcher der Texaner die Welt in hier und anderswo einteilt. Sie findet ihren Ausdruck in der Wendung, mit der er Kontakt zu Fremden sucht: Y’all visiting from out of town? Ja, mein Bester, wir sind nicht aus der Stadt. Freilich auch nicht aus dem county, dem Bundesstaat oder überhaupt dem Kontinent. Out of town ist halt ein ähnlich dehnbarer Begriff, wie wenn dir die Stimme sagt, deine voraussichtliche Warteschleifenzeit betrage „mehr als 20 Minuten“. Je nun, es kann sich also ausgehen, ehe wir in einer Supernova verglühen. Muss aber nicht.

Irritierend wirkt eine gewisse Blindheit gegenüber globalen Sachverhalten. Dass man einen Zweieinhalbtonnen-Pickuptruck als mittelgroßes Familienauto sieht, geht dem europäischen Besucher heute nicht mehr als liebenswerte Schrulle ein. Noch seltsamer wird es im mehr oder weniger akademischen Umfeld. So bekommt man im Houston Space Center in zahlreichen Videos von Wissenschaftlern und anderen gebildeten Menschen erzählt, wie sehr der Blick von der ISS auf die Erde ihnen geholfen habe, unseren Planeten als verletzlich und schützenswert zu begreifen. Das ist erfreulich. Aber warum bringt man diese Botschaft in Räumen unters Volk, die tiefer herunterklimatisiert sind, als wir die Heizung hinaufdrehen, wenn wir uns putinbedingt eh schon die gewohnte Komforttemperatur versagen? Also Tipp: Auch bei sommerlichen Außentemperaturen Pullover einstecken, für den Fall, dass man irgendwo hineingeht. Es muss nicht unbedingt das obgedachte Space Center sein. Wenn man vom Parkplatz aus die Boeing mit dem Space Shuttle obendrauf erspäht hat, hat man das Beste eigentlich schon gesehen, vielleicht mit Ausnahme des originalen Mondlandekontrollzentrums inklusive originaler Aschenbecher, die, und das macht den Charme der Sache aus, mit fast originalen Stummeln befüllt wurden, wobei man nämlich – wer kennt sich heutzutage mit Tschicken noch aus – die Asche vergessen hat.

Schönes Wochenende!


Freitag, 13. Oktober 2023

Slapstick

Euer Ergebener ist hiermit raus, o teure Lesehäschen. Man konnte nur zu gut nachvollziehen, warum Putin die Ukraine überfiel oder warum die Rechte regelmäßig gegen Klimaschutzmaßnahmen zu Felde zieht. Die Gründe sind nicht erfreulich oder menschlich oder in einem größeren Zusammenhang vernünftig. Aber wenn man ein partiell durchgeknallter Autokrat oder ein postengeiler Wappler auf Stimmenfang wäre, würde man eventuell ähnlich verfahren.

Doch was in die Hamas gefahren ist, bleibt mir komplett rätselhaft. Die israelische Armee (normalerweise der Verein, bei dem Chuck Norris hin und wieder einen Kurs in Kein-Weichei-Sein belegt) und der Mossad (normalerweise der Verein, von dem die NSA sich erklären lässt, wie man Sachen herausfindet, die jemand geheimhalten will) mögen nicht auf der Höhe gewesen sein, sodass sich die Möglichkeit bot, Israel zu überfallen. Aber Leute: Das wird es nicht gewesen sein. Da kommen jetzt viele Soldaten mit vielen hochmodernen Waffen, und es werden Menschen, die man für das Volk der Hamas hielt, sehr schlimme Dinge widerfahren. Kann man als Organisation wirklich an einen Punkt gelangen, wo einem das einfach egal ist?

Anscheinend schon, und so nimmt die Tragödie ihren Lauf. Dass das österreichische Bundesheer sofort die Farce dazu liefert, indem man darauf besteht, die Österreicher nicht mit einem ganz normalen Linienflugzeug aus Israel zu bringen, wie das die Deutschen tun, sondern mit einer über 50 Jahre alten Bundesheermaschine, die dann nicht einsatzbereit ist – also, wenn ich Netanyahu wäre, hätte ich den österreichischen Botschafter einbestellt und ihm in aller Freundschaft gesagt, dass die Österreicher bitte den Blödsinn lassen sollen, wir haben alle Sinn für Humor, aber die Situation ist ernst und es ist jetzt nicht der richtige Zeitpunkt für derartigen Klamauk. Es fehlte nur noch Heinz Prüller seligen Angedenkens, der das Debakel zweifellos mit einem markigen Satz à la Es kann sich nur um einen technischen Defekt handeln kommentiert hätte, wie er das auch zu tun pflegte, wenn aus einem Formel-1-Auto Rauch aufzusteigen begann, wobei er vielleicht noch an die unvergessliche Szene erinnert hätte, als 1975 in München ein Flugzeug starten wollte und daraus auch nichts wurde.

Merke: Wenn irgendwo etwas Schlimmes passiert, sollte man möglichst nichts tun, wozu im Kopf der Zuschauer als Soundtrack Yakety Sax zu spielen beginnt.

Aber Netanyahu hat halt auch was anderes zu tun: Verschleiern, was er alles verbockt hat, nicht in den Knast kommen, was einen heutzutage als Politiker auf der Höhe des Zeitgeistes halt so beschäftigt. Hat eigentlich noch irgendwer den Überblick, wie es um die diversen Verfahren gegen frühere Mitglieder unserer hochverehrten Bundesregierung steht? Bleibt Karl Heinz auf freiem Fuß? Hat Sebastian Grund zur Nervosität? Es lässt schon auf den Zustand einer Demokratie schließen, wenn einem so etwas in Wahrheit wurscht ist. Naja. Schönes Wochenende.


 

Freitag, 6. Oktober 2023

Der Geschirrspüler des Teufels

 

Diese Woche, o vielgeliebte Lesehäschen, haben wir kein Thema. Es ist alles gesagt. Wir wissen, was los ist und wir ahnen, dass es mühsamer wird.

Nämlich auch sprachlich. In einem jener gefährlichen Foren, in denen Leute Fragen zu Formulierungen stellen, wollte heute jemand wissen, ob das ist bedrohlich und das ist bedrohend „gleichwertig“ seien und ob man Letzteres also sagen könne.

Die Antwort kann natürlich nur lauten: Klar kann man das sagen. Man kann auch grzwlfzw fickfrosch autolesend blkjs sagen. Ob man das sagen sollte, ist aber eine ganz andere Frage. Euer Ergebener tendiert zu „eher nein“. Ebensogut könnte man fragen, ob Spritzwein und Eigenurin gleichwertig sind. Die beiden sind nur einen Nierendurchgang voneinander entfernt, also was soll’s?

Jetzt ohne Blödelei: Warum zum Geier sollte man das Partizip „bedrohend“ verwenden, wenn es ein wunderbares Adjektiv gibt, das genau das bedeutet, was man sagen will? Ich kann ja noch verstehen, dass sich einer mit dem Partizip behilft, wenn ein exakt gleichbedeutendes Adjektiv fehlt, wie es etwa bei wohlwollend oder funkelnd der Fall ist. Aber das ist bedrohend wirkt so, als wollte jemand dem Deutschen eine ing-Form aufpropfen. Macht einen so schlanken Fuß wie ein dritter Arm, wenn ihr mich fragt.

Und sonst so? Willhaben ist, was es immer war, nämlich wie die Pralinenschachtel von Forrest Gump: Man weiß nie, was man kriegt, besser gesagt: wen man kriegt. Zum Beispiel hatte der Zweckdichter einen mäßig ramponierten, aber funktionsfähigen Geschirrspüler für sehr wenig Geld loszuschlagen. Im Laufe von fast drei Wochen versicherten acht verschiedene Personen bei elf verschiedenen Gelegenheiten, sie würden das Ding „übermorgen“ holen. Sie alle logen, drei davon sogar zweimal. Euer Ergebener fühlte sich so wie der Held in Robert Louis Stevensons Geschichte The Bottle Imp: Einst kam eine Flasche auf die Erde mit einem Dämon darin. Du kannst die Flasche kaufen, und der Dämon erfüllt dir jeden Wunsch, so lange du sie besitzt. So weit, so lässig, nur: Wenn du als Flaschenbesitzer stirbst, gehört deine Seele dem Teufel. Will man nicht, deshalb sieht man nach Erfüllung der gröberen Wünsche zu, dass man die Flasche wieder loswird. Das Problem ist: Man kann die Flasche nicht wegwerfen oder verschenken, sondern nur verkaufen, und zwar mit Verlust, also für weniger, als man selbst dafür bezahlt hat. Da es die Flasche schon ziemlich lange gibt und sie durch viele Hände gegangen ist, liegt der Preis zu Beginn der Geschichte in Regionen, wo man schon ins Grübeln kommt.

Ziemlich genauso war es auch mit dem Geschirrspüler, nur mit dem Unterschied, dass kein Dämon darin wohnte, sondern dass er offensichtlich schlicht verflucht war. Wünsche erfüllte er nämlich keine. Erst im zwölften Versuch holte ihn eine gemütliche Dame tatsächlich. Ich wünsche ihr ein langes, erfülltes Leben. Ebenso den Herrschaften, die beim ersten vereinbarten Termin pünktlich aufgetaucht sind, um eine Bettstatt zu kaufen, und das ohne Preisnachverhandlung.

Schönes Wochenende!


Freitag, 29. September 2023

Strohmänner töten

 

Erstens, o gesetzestreue Lesehäschen, fällt den Leuten immer wieder ein neuer Schwachsinn ein, mit dem sie ihren Nebenmenschen auf den Senkel gehen können. Euer Ergebener schlägt sich gerade mit einem Webshopbetreiber herum, bei dem er ein Ersatzteil bestellt hatte, das dann doch nicht benötigt wurde. Der Webshopbetreiber erklärte, für Bestellungen unter 50 Euro sei keine Rücknahme möglich, und verwies auf eine allerdings vage formulierte Website, auf der eine „Bagatellgrenze“ tatsächlich genannt wurde. Die Auskunft der Arbeiterkammer, dass das trotzdem Blödsinn sei, ignorierte er. Man wird sehen, wie das weitergeht.

Einstweilen kann man, wenn einem der Sinn danach steht, im Roman Männer töten (voll doppeldeutig!) von Eva Reisinger nach geschossenen Böcken suchen. Ich habe so eine Ahnung, dass man dabei fündig wird, und das nicht nur, weil sie hieramts schon das ein- oder anderemal zu Gästin war und dabei allerlei sprachlichen und (form follows function) inhaltlichen Unfug feilgeboten hat.

Sie hat anlässlich der Romanveröffentlichung auch Interviews gegeben, zum Beispiel dem Standard. Anscheinend werden in dem Buch etliche Männer recht blutrünstig umgebracht, und angeblich gibt es Leute, die doof genug sind, das zu kritisieren (Zitate solcher liefert die Autorin leider nicht), worauf sie empört erwidert: „Man sollte bedenken, wie Frauen in der Literatur seit Jahrhunderten ermordet werden. […] Bei Mord an Frauen scheint die Darstellung in Ordnung zu sein, aber sobald es um Männer geht …“.

Vor der Leistung, einen Roman zu schreiben, in dem Leute umgebracht werden, ohne offenbar jemals einen anderen gelesen zu haben, in dem das ebenfalls geschieht, kann man nur ehrfürchtig den Hut ziehen. Hand hoch, wer schon mehr als einen Krimi gelesen hat und sich nicht erinnern kann, dass darin mindestens ein Mann aufs Unschönste abgemurkst worden wäre. Jetzt bitte alle an Ferris Buellers Wirtschaftsunterricht denken: „Anyone? Anyone?“ Dachte ich mir. Zu behaupten, dass in der bisherigen Literatur (auch schon vor Agatha Christie) Männer nicht routinemäßig gewaltsam über den Jordan geschickt worden seien – auf die Idee, diesen Strohmann aufzustellen, muss man erst einmal kommen.

Danach wird eine Szene beschrieben, in der Frauen mit Bierkisten auf dem Dorfplatz sitzen, während die Schulkinder vorbeigehen. Ein Mädchen winkt seiner Mutter zu. Diese Spiegelung des Patriarchats sei interessant, wird im Interview angedeutet.

Liebe Lesehäschen, euer Zweckdichter stammt vom Land. Vielleicht läuft es dort, wo Frau Reisinger herkommt, ja anders. Aber nach meiner Erfahrung ist es generell eher unüblich, dass Leute gleich welchen Genders mit Bierkisten auf dem Dorfplatz sitzen. Wenn man dieser Szene einen genderistischen Spiegel vorhält, ist darin nichts zu sehen.

Dann fällt noch der schöne Satz: „Ich wollte damit zeigen: Sobald Männer verschwinden, beginnen alle nachzuforschen. Aber wenn Frauen im Schnitt jede zweite Woche ermordet werden, ist es kein Skandal.“ Da gibt es so ein Sprichwort, irgendwas mit Obst. Ich komme gerade nicht drauf, aber dass zwischen „nachforschen“ und „skandalisieren“ ein Unterschied besteht, auch wenn die Reisinger ihn leugnet, das weiß ich gerade noch.

Sagen wir so: Wenn ich das Geld für das blöde Ersatzteil wiederbekommen habe, lese ich vielleicht das Buch. Bis dahin lass ich mir das Interview genügen. Schönes Wochenende!


Freitag, 22. September 2023

Wetter im Anzug

 

Dieser Tage, o volksnahe Lesehäschen, hatte euer Ergebener wieder einmal Veranlassung, über weite Strecken Ö3 zu hören. Denn unsereiner ist gerade traditionsbewusst genug, dass auf der Baustelle das Radio laufen muss, aber nicht so hardcore, Radio Wien oder gar Radio Niederösterreich einzustellen – und schon gar nicht so hardcore wie jene beiden Monteure, die der Zweckdichtersfrau vor einer Weile etwas montierten und dabei nonstop Heavy Metal aus dem Makita-Radio hörten. Eine Metalbaustelle war bis dahin noch nie.

Wo waren wir? Ö3. Es bestätigte sich erneut ein lang gehegter Verdacht: Ö3-Moderator*+:/innen werden in klimatisierten Studiokäfigen gehalten. Sinnreich eingestellte Zeitschaltuhren simulieren Tages- und Jahreszeiten. Zu bestimmten Gelegenheiten werden die Glasbarrieren zwischen Exemplaren verschiedener Geschlechter entfernt, auf dass auch kommende Generationen ein wie gewohnt moderiertes Formatradio genießen können.

Aufgrund dieser Gegebenheiten haben Ö3-Moderatoren (lassen wir den Unfug) vom echten Wetter da draußen keine Ahnung. Natürlich trifft sie daran keine Schuld, es ist halt nur. Schon vor Jahrzehnten (nämlich, als das noch vorkam) bekam man es im Tone großer Aufregung und mit sich beinahe überschlagender Stimme serviert, wenn es im Jänner EXTREM KALT BEI MINUS ZEHN GRAD war oder wenn es wenige Tage später HEFTIG SCHNEITE. Im Jänner! Das muss man sich einmal vorstellen! Irre, diese Wetterkapriolen.

Dieser Tage läuft das nicht weniger verrückte Gegenteil: Es hat regelmäßig über 25 Grad, und ganz Ö3 besingt das Lob dieses HERRLICHEN SPÄTSOMMERWETTERS und erklärt, dass man es AM WOCHENENDE NOCH EINMAL SO RICHTIG GENIESSEN könne.

Leute: Nein. Wenn man am 22. September einen Schweißausbruch bekommt, während man eine Kiste mit Malerausrüstung in die Wohnung trägt, ist das kein herrlicher Spätsommer, das ist kranker Klimawandelscheiß. September ist ein Monat mit R, das bedeutet: Unter erfreulichen Umständen ist das Wetter an mindestens einem Drittel der Tage, eher der Hälfte, geeignet, einen Anzug zu tragen, und hin und wieder sogar schon einen leichten Dreiteiler. Anzug bisher diesen Monat: an zwei Tagen, und das nur aus Sturheit, denn eigentlich war es eh noch zu warm. Dreiteiler: schmeck’s.

Man darf überkommenen Verhaltensregeln der landed gentry wie zum Beispiel „no brown in town“ dabei getrost den Stinkefinger zeigen. Aber grundsätzlich gehört sich im September zumindest mit einer gewissen Regelmäßigkeit ein Wetter, zu dem man erhobenen Hauptes zwei Schichten tragen kann.

Schönes erfrischendes Wochenende!

Freitag, 15. September 2023

Sauhaufen

 

Es ist, o überaus reinliche Lesehäschen, an der Zeit, über Sauberkeit zu sprechen. Gerne teilt euer Ergebener seine jüngsten einschlägigen Erfahrungen. Eine Wohnung zu reinigen, die man nicht selbst bewohnt hat, ist ja ein bisschen so, wie wenn sich Spinnen paaren: lehrreich und interessant, aber halt auch widerlich. Sei es, dass dem ein Trauerfall voranging, sei es, dass eine Mietwohnung zurückgegeben wurde, wie dies dem Zweckdichter widerfahren ist. Besonders in letzterem Fall hofft man natürlich, dass die Dahingehenden in Sachen Sauberkeit ähnlich gestrickt sind wie man selber, also ungefähr zwischen 60 und 70 Prozent auf der Skala zwischen „unverheiratete Orks lassen mal fünfe gerade sein“ und „Gexi Tostmann macht sauber, weil Lotte Tobisch zu Besuch kommt“.

Leider ist dies erstaunlich selten der Fall, was vor allem bedeutet, dass die besagten 60–70 Prozent nicht so objektiv festzumachen sind, wie man sich vielleicht einredet.

Wenn die Mietexen aber schon sehr deutlich Richtung orkisches Jungvolk gedriftet sind, also den Übergang von der Sauberkeit zur Saubär-keit (haha) gänzlich vollzogen haben, muss man sich darauf einstellen, eine solche Wohnung „besenrein“ zurückzubekommen. „Besenrein“ ist eine Umschreibung dafür, dass kein Müll herumliegt. Anderslautenden Gerüchten zum Trotz ist es nicht die gesetzliche Mindestanforderung. Diese ist „so, wie man die Wohnung übergeben hat, abzüglich Verwohnung“. Wenn die Wohnung also bei Anmietung in einem Zustand war, dass der morgendliche Sockentest (alle an die Wand schmeißen und die anziehen, die nicht klebenbleiben) versagt, weil alle klebenbleiben, dann hat man es sich selbst zuzuschreiben, wenn das auch bei der Rückgabe der Fall ist. War sie aber sauber, kann man streiten.

Was tut man nun mit einer besenreinen Wohnung? Bis vor Kurzem hätte der Zweckdichter gesagt: „Bei BIPA oder dm aufmunitionieren und losfeudeln“ (Feudel, der: sehr bundesdeutsch für „Putzfetzen“. Bildungsauftrag erfüllt) und sich in guten Tipps über die Reinigungspower von Rasiercreme verloren.

Heute aber habe ich euch eine frohe Botschaft zu verkünden: Es gibt eine Sauberkeit und Action ist ihr Prophet!

Action? Action ist die Diskonterkette, die Tedi Konkurrenz macht, mit dem Unterschied, dass es bei Action mehr brauchbares Zeug gibt, teils sogar von Marken, deren Namen man schon einmal gehört hat. Und Gartenzwerge natürlich, was wäre Action ohne Gartenzwerge. Unser heutiges Thema ist die Putzmittelmarke „Blue Wonder“, die ein seltenes Beispiel für etwas bietet, das tatsächlich so funktioniert wie in einem Fernsehspot der 1980er. Wenn in der Orkhöhle zum Beispiel alle Oberflächen mit einem zarten bräunlichen Schleier überzogen sind, wobei nur das Badezimmer insofern etwas Abwechslung reinbringt, als in dem Schleier stellenweise Härchen kleben, bei denen man lieber nicht darüber spekuliert, aus welchem Follikel sie einst gesprossen sind, dann verzagt nicht, o meine Teuren! Vielmehr sprüht ihr Blue Wonder Super Fettlöser auf die befallenen Stellen und dann rinnt der Schlatz tatsächlich ohne weiteres Zutun herunter. Drüberwischen und weiter geht’s. Denn freilich: Dreck gibt es noch genug. Das ist bei Orks leider so.

Zwei gute Nachrichten zum Schluss: Erstens war euer Ergebener kürzlich bei der Physiotante seines Vertrauens, die ihn bestens behandelt hat. Bezüglich seines Oberarms meinte sie: „Aber Sie trainieren ja.“ Worauf die Antwort nur lauten konnte: „Nein, aber ich putze viel.“ Wenigstens das schaut also dabei heraus.

Zweitens sind von den Exmietern mit Sicherheit keine religiös motivierten Anschläge zu befürchten. Denn bekanntlich kommt die Frömmigkeit gleich nach der Sauberkeit.

Schönes Wochenende!

Freitag, 8. September 2023

Die neue Rechte

 

Man macht sich, o geheimnisumwitterte Lesehäschen, ja gerne ein bisschen rätselhaft. Wenn die andern nicht alles von dir wissen, weckt das eventuell die Neugier, und wer weiß, was sich daraus entwickeln könnte? Deshalb läuten gewiefte Großstädter, die „neue Leute kennenlernen wollen“, zwecks Bekanntschaft mit der Nachbarin nicht etwa um eine Tasse Zucker an, sondern huschen zu sonderbaren Zeiten mit Hoodie und etwas Schwerem unterm Arm über den Hof.

Andere bescheiden sich mit einem kleineren Geheimnis, nämlich der Antwort auf die Frage: „Wohin gehst du?“ oder genauer „Wohin fährst du?“

Früher gab es nämlich zweierlei Radfahrer. Die einen gaben kein Handzeichen, weil sie halt ein Leben auf Messer Schneide führten und alles recht war, was das Adrenalin förderte. Links, rechts oder geradeaus – die Autofahrer sahen ja dann eh, wohin man fuhr.

Die anderen gaben Handzeichen, und wie! Mit durchgestrecktem Arm, parallel zu den Schultern weggereckt. Kleine Variationen waren in der Fingerhaltung möglich: Zeige- und Mittelfinger gestreckt, Rest geballt hieß: „Biege ab, schwöre!“ Zeige- und Mittelfinger bedeuteten: „Versuche abzubiegen, wünsch mir Glück.“ Und Handzeichen mit manu cornuta war natürlich Metal-Abbiegen.

Inzwischen ist das anders. Deutlich sichtbare Handzeichen geben nur noch Großmütter auf Hollandrädern mit tiefem Durchstieg sowie euer Ergebener, also Leute, die sich ans Leben gewöhnt haben und ungern davon lassen würden. Alle andern geben strenggenommen kein Handzeichen, sondern nur noch eine Handandeutung: Der Arm zeigt am Körper liegend nach unten, nur der Zeigefinger weist die angepeilte Richtung. Natürlich ist ein Finger nicht so ein Hingucker wie ein ganzer Arm (sonst sähen die Filme vom Reichtsparteitagsgelände anders aus), was ja wohl auch dem Doofsten klar ist.

Was also soll der Blödsinn? Der Zweckdichter kann sich das nur damit erklären, dass Richtungen in Österreich immer schon heikel waren. Einst war es sonnenklar, dass die Umfragewerte der FPÖ vor dem Wahlsonntag nur die halbe Wahrheit sagten, weil viele nicht zugeben wollten, wo sie ihr Kreuzchen zu machen gedachten. Mittlerweile ist das anders, wie auch die AfD zeigt, und es ist sich niemand mehr zu blöd, dem nächstbesten Marktforscher auf die Nase zu binden, dass man einer Witzfigurenpartie seine Stimme gibt, die zum Beispiel in Salzburg den Emissionshunderter auf der Autobahn abschafft, weil er wirkt: I shit you not. Die Luftgütewerte haben sich infolge der Geschwindigkeitsbeschränkung verbessert, also wird diese nun aufgehoben.

Weil man aber halt, wie gesagt, doch nicht ganz ohne Geheimnis sein will, ob aus erotischen oder sonstigen Erwägungen, werden Rechts-Links-Entscheidungen zumindest auf dem Fahrradstreifen in obskurantistisches Zwielicht gehüllt. Wenn das mal nicht ins Auge geht.

Schönes Wochenende!

Freitag, 1. September 2023

Heiligenrevival

Wie, o algorithmusvife Lesehäschen, kommt Facebook darauf, dass euer Ergebener zu den „Die-Hard Chicago Bulls Fans“ gehören könnte? Ich weiß nicht mal, ob die Bulls Baseball oder Football spielen. Wahrscheinlich Football. 

Sieh einer an. Basketball. 

Wie auch immer: Das einstige soziale Netzwerk ist mittlerweile so vollständig zu einer grenzdebilen Werbekrake degeneriert, dass man sich ernstlich fragen muss, ob der Link zu dieser Kolumne dort noch etwas verloren hat. Es ist ja nicht so, als hätte der Zweckdichter keine ausbeutungsfähigen Interessen, zu denen man ihm konsumerleichternde Links vorschlagen könnte. Aber mit Major League Basketball hat er ungefähr so viel am Hut wie Excelprogrammierung auf Wettkampfniveau (gibt’s auch). 

Damit zum Katholizismus. Hat da jemand behauptet, dieser sei auf dem absteigenden Ast, beziehungsweise habe er, wie man in erdigeren Gegenden zu sagen pflegte, „a magers Tütte“ (eine magere Zitze), sei also jenem bedauernswerten Ferkel vergleichbar, dass im Gegensatz zu seinen Geschwistern einfach nicht gedeihen will, weil seine angestammte Milchquelle nicht ausreichend sprudelt?

Euer Ergebener hätte sich dazu hinreißen lassen, doch anscheinend schlägt das Pendel nun in die andere Richtung aus: Auf salzburg24.at wurde kürzlich über die Hochwasser berichtet. Im Text kam das Wort „Feuerwehr“ einmal vor“, „Feuerwehrleute“ überhaupt nicht, „Floriani“ hingegen gleich fünfmal. Gemeint waren damit eben die Feuerwehrler. Es hieß nicht etwa „Florianijünger“, was früher ein Ausdruck von Leuten war, die in der Volksschule verinnerlicht hatten, dass Wiederholungen schlecht und dass es daher klüger sei, ein gutes und ein doofes Wort je einmal anstatt das gute zweimal zu verwenden. Sondern einfach „Floriani“, weil die Feuerwehrleute jetzt gleich selber heilig sind. In Bälde werden wir also nicht mehr von Anglern lesen, sondern von Petri, nicht von Zahnärzten, sondern von Apolloni, und nicht mehr von Politikern, sondern von Thomassen oder Johannen, weil (Bildungsauftrag!) Thomas Morus und Jeanne d’Arc beide zu deren Schutz bereitstehen. Das wird sehr schön, zumindest, bis jemand draufkommt, dass nicht jede Religion mit Heiligen gesegnet ist. Wir werden dann so etwas wie das Gendersternäquivalent zum Heiligenschein brauchen. A propos Gender: Hier haben wir ja in den letzten Jahren schon einige Fortschritte gemacht. Doch wer nicht hier nicht auf halbem Wege stehenbleiben will, darf auch versteckte Maskulina nicht ungeschoren davonkommen lassen, hätte ich jetzt beinahe geschrieben, also: darf nicht übersehen, wo sich ein Maskulinum vor einem Suffix versteckt. . In einer bunten Gesellschaft, wo alle nach ihrer jeweiligen Fasson selig werden dürfen, ist es gewiss nicht mehr statthaft, etwa mit jemandem Freundschaft zu schließen, sondern höchstens Freund*innenschaft. Glücklicherweise brauchen wir uns daher auch keine Sorgen mehr um die Entwicklung der Wirtschaft zu machen, sondern schauen stattdessen entspannt, was mit der Wirt*nnenschaft wird. Das hängt natürlich auch davon ab, ob die Unternehmen reichlich Kund*innenschaft haben. Und so weiter. Schönes Wochenende!


Freitag, 25. August 2023

Rechtsdrehend

 

Dies, o mit Recht enttäuschte Lesehäschen, ist nicht die Zukunft, die uns einst verheißen wurde. Dass nach Waldsterben und Ozonloch noch viel Schlimmeres gefolgt ist, nicht zuletzt dank einer Lobby, die aus ideologischen Gründen alles dafür getan hat, den Karren gegen die Wand zu fahren (wer ein mieses Wochenende haben will, lese Merchants of Doubt), wissen mittlerweile sogar manche FPÖ-Wähler. Dass es mit den fliegenden Autos und der Kolonie auf dem Mond mau aussieht, wissen alle außer Elon. Dass wir Erfahrungspunkte farmen sollten, um rechtzeitig geile Installateursskills zu erwerben, sodass wir im Bedarfsfall die Reparatur der Wärmepumpe selber craften können, weil wir sonst erfrieren oder beim Kaltduschen einen Herzkasper erleiden, ehe der einzige Fachkundige im Umkreis von 100 Kilometern Zeit für uns hat, ist uns schmerzlich bewusst.

Wie schlimm es aber selbst um Servicebranchen steht, in denen man nicht einmal wissen muss, wie ein 17er-Gabelschlüssel aussieht, geschweige denn, wie man ihn hält, daran müssen wir uns erst gewöhnen. Eventuell auch nicht, wenn die KI endlich einmal anfängt zu liefern, aber auch da sieht es bisher ja eher müde aus, weil, haha, die KI wieder dümmer wird, da ihr Trainingsstoff zunehmend ebenfalls KI-erzeugt ist, sodass die künstliche Doofheit sich potenziert, dass man dabei zuschauen kann.

Zum Beispiel hätte man gerne ordentliches Internet fernab der nächsten Ampel. Was man hat, ist Festnetz-Internet. Man hat sich dafür entschieden, weil „Festnetz“ so solide klingt. Tatsächlich ist das Kabel vielleicht fest, die Verbindung deshalb aber noch lange nicht. Der Kundendienst kann wenig ausrichten, weil sein Vorvorgänger einst vergessen hat, aufzuschreiben, wo das Kabel sich befindet. Ja, im Ernst: Es gibt einen Kasten an der Straße, dann folgen 50 Meter Rätsel, und schließlich ist in der Mauer eine Dose mit wieder einem Kabel drin. Was dazwischen geschicht, weiß niemand.

Man hätte gern das örtliche Drahtlos-Internetz, das über eine Richtfunk-Verbindung hergestellt wird. Das geht leider nicht, weil man zu nahe am Berg ist, der die Richtfunkstation verdeckt. Also nimmt man halt LTE. Hier verbringt man einige lustige Stunden mit dem Setup, weil der Router (von einem deutschen Markenhersteller) nicht nur den Anbieter nicht kennt (der ja auch erst seit 2005 im Geschäft ist), sondern weil auch nirgends in der Anleitung steht, dass man diesfalls Roaming freischalten muss.

Dann hat man endlich eine Verbindung, die aber nur ein Zehntel der verheißenen Bandbreite liefert. Eine SIM-Karte eines anderen Anbieters kommt im selben Netz auf das Zwanzigfache.

Der Kundendienst meint, man könnte schon ein „Technik-Ticket“ eröffnen. Aber man solle doch lieber die SIM-Karte einschicken, zwecks Prüfung. Möglicherweise bekomme man dann „auf Kulanz“ eine neue. Liebes Yesss: Wenn ihr mir eine defekte SIM-Karte verkauft, ich die die dann einschicke und ihr mir dafür eine funktionsfähige liefert, hat das mit Kulanz nichts zu tun.

Also tritt man vom Vertrag zurück und schaut sich anderweitig um. Währenddessen hat der Rasenmäher Rhythmusstörungen, weil das Messer lose sitzt. Man will dieses demontieren, doch dreht sich die Welle mit. Man ruft den Rasenmähermann an. „Ich bin ziemlich sicher, das ist ein Linksgewinde.“

Erstens: Wenn sich die Welle mitdreht, ist es egal, ob links oder rechts.

Zweitens: Es ist ein Rechtsgewinde. Noch nie war der Satz „Was man nicht selber macht, ist nicht gemacht“ so wahr wie heute.

Schönes Wochenende!

Freitag, 18. August 2023

Es ist, wie es ist

 

Die Caritas, o mildtätige Lesehäschen, sucht aktuell per Plakatkampagne eine*n „Pressesprecher*in für Armutsbetroffene“. Das ist erstens ein löbliches Unterfangen und erinnert zweitens an die hieramts am 13. März 2020 (hach, da war doch noch irgendwas!) behandelte Frage, warum man von manchen Fährnissen „betroffen“ ist und von anderen nicht. Schon damals stieß uns auf, dass man dieser Tage zwar nicht arm ist, sondern allenfalls armutsbetroffen, jedoch niemals reichtumsbetroffen, sondern reich. Das mutet inzwischen noch unfairer an. Die „Betroffenheit“ will ja vermutlich sagen, dass die Armen nichts dafür können, während die Reichen selber schuld sind. 

Euer Ergebener hat den Eindruck, dass die Sprachregler in Sachen Betroffenheit sich damit als Opfer des einen oder anderen Trickbetrugs empfehlen. Denn die Antwort auf die Frage, wie gestandene Geschäftsleute auf solche Schlingel hereinfallen können, liegt laut David Maurer, der vor bald 100 Jahren das entsprechende Buch (The Big Con, Empfehlung, Bildungsauftrag erfüllt) geschrieben hat, oft darin, dass sich erfolgreiche Menschen einen zu großen Anteil an ihrem Erfolg zuschreiben. Weil sie meist an die Richtigen geraten sind, halten sie sich für Menschenkenner, während wir weniger Erfolgreichen wissen, dass zum Erfolg auch Glück gehört. Man muss hinzufügen: ebenso, wie zum Armwerden Pech gehört. Dass einer reich ist, beweist keineswegs, dass er irgendwas draufhat, sondern nur, dass er mehr Kohle hat als unsereins. Wer also den den Armen die Betroffenheit zugesteht, während er sie den Reichen versagt, behauptet damit, dass Letzere mehr Einfluss auf ihr Schicksal hätten als Erstere. Tatsächlich ist der durchschnittliche G’stopfte ebenso jungferngeburtlich vom Reichtum betroffen wie der durchschnittliche Notleidende von der Armut. (Von der Erbengeneration haben wir da noch gar nicht angefangen. Mark Mateschitz hat nichts dazu beigetragen, dass sein Vater mit Gummibärchenplörre Milliarden gescheffelt hat. Frau Engelhorn, die bekanntlich sehr dafür ist, Erbinnen wie sie kräftig zu besteuern, hat sich nicht ausgesucht, dass ihr Ururgroßvater BASF mitbegründet hat und ihr Großvater bei Boehringer wichtig war.) Man möchte fast sagen: Irgendwie sind alle von allem betroffen, weil niemand komplett dafür verantwortlich zu machen ist, wie es ihm geht. Könnte man sich also das „-betroffen“ gleich schenken? Das möge die Nachwelt entscheiden.

Weil wir schon dabei sind: Kann mir jemand den Unterschied zwischen einem Zustand, einer Betroffenheit und einer Opferrolle erklären?

Aktuell scheint es nämlich so zu sein:

Attribute, die genetisch bedingt sind oder zumindest sein könnten (Hautfarbe, sexuelle Orientierung, aber auch Übergewicht oder Deppertsein) sind einfach. Man ist weiß, trans, bodypositiv und so weiter.

Von Dingen, für die „die Gesellschaft“ verantwortlich zu machen ist (Armut, geringer Bildungsstand), ist man betroffen, vorzugsweise dann, wenn das entsprechende Fährnis als unerfreulich gilt (siehe Reichtum).

So weit, so gut.

Wenn ein Unwetter dein Haus abtransportiert oder die Hitze deine Ernte vernichtet, bist du ein Opfer (ein Unwetteropfer, ein Opfer der Klimakatstrophe, whatever).

Seltsamerweise bist du aber ein Unfallopfer oder ein Diskriminierungsopfer, wenn dich einer über den Haufen fährt oder unterbuttert, weil er seinerseits deppert ist. Ist es nicht seltsam, dass wir die gleiche Rolle übernehmen sollen, wenn uns der Blitz trifft wie wenn uns ein Nazidepp prügelt? Mir scheint das ungerecht gegenüber den Blitzen. Schönes Wochenende!